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Dienst ohne Dank

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Selten war Deutschland so unmilitärisch wie heute. In drei Kontinenten steht die deutsche Armee im Einsatz – Politik und Öffentlichkeit aber gehen mit Achselzucken zur Tagesordnung über, wenn wieder einmal deutsche Soldaten im Zinksarg in die Heimat zurückkehren. Der Anti-Militarismus-Reflex der Nachkriegszeit ist zu blanker Schizophrenie geworden: Die Politik benutzt die Armee, um sich international zu profilieren, gleichzeitig aber sind ihr die eigenen Soldaten und alles Militärische suspekt. Der Umgang mit den gefallenen Soldaten spricht Bände über die herrschende Mißachtung der Armee. Ein Mahnmal für NS-verfolgte Homosexuelle ist rasch beschlossen; das Gezerre über eine angemessene Ehrung der gefallenen Bundeswehrsoldaten aber zieht sich endlos hin. Nicht einmal die Anerkennung als „Gefallene“ gönnt man den Toten; verdruckst ist allenthalben von „gestorbenen“, „umgekommenen“, „im Dienst ums Leben gekommenen“ Bundeswehrangehörigen die Rede. Ebenso verschämt will man das überfällige Ehrenmal in einer nicht öffentlich zugänglichen Ecke des Verteidigungsministeriums verstecken. Eine „Kranzabwurfstelle“ also statt eines würdigen Ortes, an dem die trauernden Angehörigen in ihrem Schmerz die Solidarität ihrer Landsleute und des Gemeinwesens tröstend spüren könnten – wieder ein deutscher Sonderweg. Wird eine öffentliche Gedenkstätte in der Nähe des Parlaments erwogen, das immerhin das letzte Wort bei jedem Einsatz hat, dann nicht ohne relativierende Zusätze. Diese Verrenkungen sind die logische Fortsetzung einer geradezu Orwellschen Tarnsprache, mit der die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Afghanistan und anderswo zu humanitären Ausflügen irgendwo zwischen THW, Entwicklungshilfe und Ärzte ohne Grenzen verharmlost werden. Die blutige Realität straft diese gefährlichen Verniedlichungen Lügen. Auslandseinsätze sind keine Fortsetzung des Pazifismus mit anderen Mitteln. Sie sind Krieg; Soldaten müssen daher Krieger sein und nicht Sozialarbeiter in Uniform. Krieg ohne Opfer ist nicht zu haben. Gegen diese unangenehme Wahrheit hilft keine Verschleierungsrhetorik und auch keine defensive Deeskalationstaktik, die das Kämpfen den Verbündeten überlassen will oder am besten gleich privaten Sicherheitsfirmen auf Kontraktbasis. Das führt lediglich dazu, daß die eigenen Soldaten in Gefahr gebracht werden, ohne sich lageadäquat wehren zu können. Die Beteiligung der Bundeswehr an Nato- oder Uno-Einsätzen bedeutet, daß deutsche Soldaten in aller Welt kämpfen und sterben sollen. Warum und für wen – darauf gibt die Politik genausowenig eine überzeugende Antwort wie viele journalistische Säbelraßler, die leitartikelnd Kriegseinsätzen das Wort reden. Wer in den Krieg ziehen will, muß freilich erst einmal sagen können, welche vitalen nationalen Interessen auf dem Spiel stehen, die es rechtfertigen, dafür mit der Gesundheit oder gar dem Leben seiner Landsleute zu bezahlen. Abgeleitete Begründungen reichen nicht. Niemand kann von jungen Menschen verlangen, für Allgemeinplätze wie den Schutz der Menschenrechte oder aus Dankbarkeit gegenüber den USA oder für den harmonischen Abschluß einer Nato-Konferenz Kopf und Kragen zu riskieren. Vor allem aber braucht man zum Kriegführen Soldaten, die wie Soldaten denken und handeln können und als solche auch ernstgenommen werden. Das einzusehen, fällt in Deutschland schwerer als in anderen westlichen Demokratien. Hierzulande ist es üblich, sich seiner militärischen Traditionen zu schämen und die Armee nach Möglichkeit zu verstecken. In der Öffentlichkeit kommt die Bundeswehr praktisch nicht mehr vor – ganze Sparkaskaden haben das Militär aus der Fläche vertrieben, Manöver finden aus Geldmangel kaum noch statt, den Anblick von Soldaten kennt der Normalbürger nur noch aus Tagesschau-Schnipseln. Platzkonzerte und Militärparaden gibt es nicht einmal mehr am Nationalfeiertag, selbst zu öffentlichen Gelöbnissen traut man sich, weil man gegenüber dem linken Mob brav „deeskaliert“, kaum noch nach draußen. Muß man sich da wundern, daß die Armee aus dem Bewußtsein und dem Selbstverständnis der Deutschen verschwindet? Daß die Motivation einer Truppe leidet, die kaputtgespart, versteckt und an den Rand gedrängt wird? Der periodische Ruf nach der Berufsarmee ist nur ein weiteres Symptom dieser gestörten Beziehung: Aus ihr spricht der Wunsch, sich der Verantwortung vor dem Volkssouverän für seine Streitkräfte zu entziehen. Die Bundeswehr ist, im Guten wie im Schlechten, ein Spiegelbild der Gesellschaft. Schwerer noch als ihre finanzielle und materielle Vernachlässigung wirkt die geistige Aushungerung durch das Kappen aller militärischen Traditionslinien, die über die kurze Geschichte der Bundesrepublik hinausreichen. Soldaten müssen militärische Vorbilder haben dürfen, ohne in die Mühlen der Inquisition zu geraten. Soldaten müssen kriegsnah ausgebildet werden, ohne daß die Boulevardpresse gleich „Skandal!“ schreit. Soldaten in Einsatz und Gefahr dürfen auch mal derb sein, ohne mit derselben Elle wie politisch korrekte Klosterschüler gemessen zu werden. Und schließlich brauchen Soldaten eine politische und militärische Führung, die bei Gegenwind zu ihnen hält und sie nicht der eigenen Karriere opfert. Der „Staatsbürger in Uniform“ hat sich als Schönwetter-Philosophie erwiesen. Gemeint war ein aufgeklärtes, verantwortungsbewußtes Offizierskorps, das den demokratischen Staat aus Überzeugung verteidigt. Geworden ist daraus ein unerträgliches Maß an politischer Bevormundung und Duckmäuserei, das im eklatanten Widerspruch zum dramatischen Vertrauensverlust in eine politische Führung steht, deren Exponenten die Wehrdienstverweigerung geläufiger ist als der Dienst an der Waffe und die Diffamierung von Soldaten als „Mörder“ leichter von der Zunge geht als der Respekt vor ihrer Bereitschaft zum höchsten Einsatz. Politischer Leichtsinn, Ignoranz und Profilierungssucht haben die Bundeswehr in ihre jetzigen Kriegseinsätze geführt. Die Debatte um ihre Beendigung ist staatspolitisch geboten. Doch auch eine verantwortungsbewußte Regierung kann schnell vor Situationen stehen, in denen das nationale Interesse den Einsatz der Armee verlangt. Wenn die Deutschen, gleichviel ob Bürger in Zivil oder in Uniform, nicht wieder lernen, in militärischen Kategorien zu denken, wird unser Land diese Herausforderungen nicht bestehen.

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