Nichtdeutsche Jugendliche sind gewalttätiger als deutsche Jugendliche.“ Selten liest man das so deutlich wie im Forschungsbericht Nr. 100 des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Leider verpacken Dirk Baier und Institutsleiter Christian Pfeiffer die bitteren Befunde ihrer „Schülerbefragung 2005“ dick in sozialpädagogische Watte und können sich bei den „Folgerungen für die Prävention“ zu keiner Empfehlung durchringen, die über die planmäßige weitere Aufblähung der Sozial- und Betreuungsindustrie hinausreicht. Die Ergebnisse der jüngsten KFN-Schülerbefragung sind nicht zuletzt deswegen so aussagekräftig, weil sie die gängigen statistischen Verzerrungen durch die von Wolfgang Schäuble eingeführte und von Rot-Grün radikal ausgeweitete großzügige deutsche Einbürgerungspraxis nicht mitmacht: Sie unterscheidet deutsche von nichtdeutschen Jugendlichen nicht anhand der Staatsbürgerschaft, sondern nach der ethnischen Herkunft der Eltern; nicht ohne darauf hinzuweisen, daß bei künftigen Studien wohl eher die Herkunft der Großeltern herangezogen werden müsse, da inzwischen „die dritte und vierte Einwanderergeneration in Deutschland aufwächst“ – und immer noch die Integration verweigert, versteht sich. Frei von der üblichen multikulturellen Begriffsverwirrung ist indes auch diese Studie nicht. So werden katholische kroatische Mitteleuropäer mit muslimischen Kosovo-Albanern unter dem anachronistischen Etikett „jugoslawisch“ subsumiert, während ethnisch deutsche Aussiedler pauschal als „russisch“ oder „polnisch“ firmieren. Leicht skurril wird es, wenn die „ethnische Vielfalt in der gegenwärtigen Kinder- und Jugendgeneration“ auf diverse „Einwanderungswellen“ zurückgeführt wird, deren erste „deutschstämmige Kriegsvertriebene“ aus Osteuropa gewesen sein sollen. Der Schreiber dieser Zeilen ist sich nicht bewußt, als ostpreußischer Vertriebenensproß bereits in den siebziger Jahren zur ethnischen Diversifizierung der alten Bundesrepublik beigetragen zu haben und seine bayerischen Dorfschullehrer vor unlösbare Integrationsaufgaben à la Rütli-Schule gestellt zu haben. Der Einwand ändert nichts am alarmierenden Lagebild. Im Rahmen der seit 1998 vom KFN durchgeführten Erhebungen unter Schülern der neunten Jahrgangsstufe wurden im Frühjahr 2005 quer durch die Schulzweige 14.301 durchschnittlich 15jährige Jugendliche in ausgewählten Großstädten und ländlichen Regionen Westdeutschlands zu ihren Gewalterfahrungen befragt. Die Auswertung vergleicht die Antworten der deutschen Jugendlichen, die weniger als zwei Drittel der Befragten ausmachen, mit denen der fünf zahlenstärksten der über 80 Herkunftsnationalitäten. Junge Türken stellen mit 9,5 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von „russischen“, „jugoslawischen“, „polnischen“ und italienischen Jugendlichen. Das Ergebnis kann nur hartgesottene Multikulturalisten überraschen. Türkische männliche Jugendliche nehmen bei Körperverletzungen und Gewalttaten die Rekordplätze ein, ihre deutschen Altersgenossen bilden dagegen bei fast allen Indikatoren der Gewalttätigkeit die Schlußlichter. Während im der Befragung vorangehenden Jahr knapp jeder fünfte deutsche Jugendliche eine Körperverletzung begangen hatte, war der Anteil der jungen Türken mit 37,5 Prozent fast doppelt so hoch, bei den Mehrfach-Gewalttätern, die auf mindestens fünf Delikte zurückblicken konnten, mit 13,2 Prozent sogar mehr als dreimal so hoch (vgl. Grafik links unten). Bei den Mädchen ergibt sich ein ähnliches Bild – gegenüber den deutschen sind alle nichtdeutschen Gruppen signifikant häufiger gewalttätig geworden: Der Anteil der türkischen Gewalttäterinnen ist zweieinhalbmal, der der „jugoslawischen“ sogar fast dreimal so hoch (vgl. obere Grafik). Aus dem Vergleich mit den Ergebnissen der KFN-Schülerbefragung von 1998 schließen Baier und Pfeiffer, daß die Gewalttätigkeit deutscher Jugendlicher tendenziell abnehme, während die Gewaltbereitschaft bei den Nichtdeutschen sogar noch im Steigen begriffen sei. Bemerkenswert ist, daß 87 Prozent der befragten türkischen Jugendlichen in Deutschland geboren sind und nur fünf Prozent weniger als zehn Jahre hier leben. Mehr als ein Drittel (37,7 Prozent) haben sogar einen deutschen Paß. Die Studie sagt es nicht, aber die Schlußfolgerung liegt auf der Hand: „Integration“ durch formale Einbürgerung funktioniert nicht. Jugendgewalt ist wesentlich ein ethnisches und kulturelles Problem; Baier und Pfeiffer bestätigen dies mit der Feststellung, „innerhalb ein- und derselben ethnischen Gruppen“ gebe es keine größeren Unterschiede zwischen den untersuchten Städten. Einige liebgewordene exkulpatorische Theorien weist die KFN-Studie zurück. Wäre die höhere kriminelle Auffälligkeit von Einwanderern ein Produkt ihrer „Benachteiligung“ und mißlichen sozialen und ökonomischen Lage, müßten sich Deutsche in gleicher Lage genauso verhalten. Die Auswertung der Befragung zeigt aber: Armut ist „kein eigenständiger Risikofaktor für Gewaltverhalten“. Der „etikettierungstheoretische“ Ansatz, der eine schnellere „Kriminalisierung“ und härtere Sanktionierung ausländischer Straftäter unterstellt, geht ebenfalls fehl. Ausländerkriminalität entstünde demnach vor allem im Auge des (einheimischen) Betrachters. Die Selbstauskünfte der befragten Jugendlichen sprechen da eine andere Sprache. Interessant der Hinweis, daß die vielbeschworene „Integration durch Sport“ offensichtlich nur bedingt wirkt, weil jugendliche Einwanderer ethnisch homogene „eigene“ Sportvereine bevorzugen. Bei der Ursachenforschung dreht sich die KFN-Studie dann allerdings im Kreis. Die von Christian Pfeiffer favorisierten Erklärungsmodelle für Jugendgewalt – Gewalterfahrung in der Erziehung und Akzeptanz dominanter „Männlichkeitsnormen“ – helfen kaum weiter, da sie wieder auf kulturelle Unterschiede zwischen den Ethnien verweisen, denen mit sozialpädagogischer Betreuung kaum beizukommen ist. Ein Nebensatz ist verräterisch: „Elterliche Gewaltmißbilligung“ wirke zwar vorbeugend, dieser Einfluß sei aber „vor allem bei deutschen Jugendlichen gegeben“. Mit anderen Worten: Deutsche Eltern hören brav auf die Empfehlungen, gewaltfrei zu erziehen, andere eben nicht. Kaum verwunderlich ist daher, daß die Empfehlungen der Hannoveraner Kriminologen für präventive Maßnahmen – wohl schon im Eigeninteresse – sich auf den sattsam bekannten Pfaden eines weiteren Ausbaus der öffentlich finanzierten und organisierten Betreuungsapparate hinauslaufen. Da soll „Frühförderung“ durch Hausbesuche etc. gegen elterliche Gewalt wirken und „Vertrauenslehrkräfte“ sich später desselben Problems annehmen, und natürlich soll die Auseinandersetzung mit gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen, Pfeiffers Steckenpferd, weiter gefördert werden. Bedenklich wird’s, wenn über schulpolitische Experimente die weniger auffälligen Einheimischen für die Integrationsverweigerung namentlich ihrer türkischen Altersgenossen mit in Haftung genommen werden: So soll die als positiv erkannte „soziale Vernetzung“ durch die Auflösung der Hauptschule und ihre Zusammenlegung mit den Realschulen gefördert werden und „flächendeckend für alle Schüler“ einzuführende Ganztagsschulen die „jungen Migranten“ aus ihrer „sozialen Randlage“ befreien. Dabei weisen Pfeiffers Erkenntnisse ebenso wie die einer von ihm referierten Studie eigentlich in eine ganz andere Richtung. Wo es eine „anteilsmäßig geringe türkische Schülerschaft“ gebe, sei diese „strukturell gezwungen, sich mit deutschen Kindern zu vernetzen“, konstatiert Pfeiffer; und der Sozialwissenschaftler Wahl weiß: „Wenn Migrantenkinder aber in einer Klasse beschult werden, in der es mehrheitlich deutsche Kinder gibt, passen sie ihr Verhalten an das der Deutschen an.“ Wäre es da nicht die logischere Konsequenz, den Anteil der schwerintegrierbaren Einwanderer zu reduzieren, als ganze Schulzweige aufzulösen und das Elternrecht aller einzuschränken? Eine Aufgabe, bei der freilich eher eine neue Einwanderungs- und Bevölkerungspolitik als mehr Therapeuten und Sozialpädagogen gefragt wären.