Die Rote Armee Fraktion (RAF) war nicht die größte, aber die bei weitem kriminellste linksextremistische Organisation in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie war ein Produkt jener Teile der Studentenbewegung der sechziger Jahre, die ihren Glauben an eine gesellschaftliche Revolution mit der Inkaufnahme von Gewalt gegen Dinge und schnell auch gegen Menschen aktiv umsetzen wollten. Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg bei einer Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin, das Attentat auf den populären Studentenführer Rudi Dutschke wie auch der Beginn des Vietnamkrieges boten dem extremistischen Flügel den Anlaß, Staat und „Kapital“ den Kampf anzusagen. Dieser bestand zunächst in der Brandschatzung von Frankfurter Kaufhäusern. Die Täter, an deren Spitze die späteren Köpfe der Bewegung, Gudrun Ensslin und Andreas Baader, können zwar bald verhaftet werden. Eine vorübergehende Entlassung zwischen dem Verfahren und der Revisionsverhandlung nutzen jedoch die Angeklagten zur Flucht. Der erneuten Verhaftung Baaders folgt eine spektakuläre Befreiungsaktion, die von Ensslin und der später zur Terroristen-Ikone erhobenen Ulrike Meinhof geplant wurde. Nach der Flucht nehmen „Befreite“ und „Befreier“ an einer Militärausbildung in einem Palästinenser-Lager in Jordanien teil. Der endgültige Weg in den organisierten Terror ist damit besiegelt. Erst nach einer Serie von Banküberfällen, die am 29. September 1969 beginnt, und der zunehmend offensichtlichen Bedrohung der inneren Ordnung der Bundesrepublik wird am 1. Februar 1971 eine Sonderkommission „Terrorismus“ eingerichtet. Auf den sich damit verschärfenden Druck und die sich häufenden Festnahmen reagiert die RAF mit einer Verschärfung des Terrors. Mit allen Mitteln wird versucht, sich den Verhaftungen von Mitgliedern zu widersetzen: Am Ende von mehreren Großfahndungen stehen sowohl getötete Terroristen als auch Polizisten. Mit den Bombenanschlägen auf das V. US-Korps in Frankfurt am Main am 11. Mai 1972, der dreizehn Schwerverletzte sowie ein Todesopfer fordert, auf die Polizeidirektion Augsburg und einem Autobombenattentat vor dem Landeskriminalamt München (12. Mai 1972), dem Anschlag auf den Wagen eines Bundesrichters (15. Mai 1972), dem Bombenanschlag auf das Axel-Springer-Gebäude in Berlin (19. Mai 1972) und den Autobomben vor dem Europahauptquartier der US-Armee, die drei Todesopfer und fünf Schwerverletzte fordern (24. Mai 1972), erreicht der Terror eine neue Qualität. Nach der größten Ringfahndung in der Geschichte der Bundesrepublik werden zwischen dem 1. und 15. Juni 1972 Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof sowie zahlreiche weitere Weggefährten und Unterstützer der Terroristen verhaftet. Ab Januar 1973 versuchen die Verhafteten im Zuge von mehreren spektakulären Hungerstreiks der Bundesanwaltschaft bessere Haftbedingungen abzuzwingen. An den gesundheitlichen Folgen stirbt Meins am 9. November 1974. Seine Gesinnungsgenossen ermorden nur einen Tag danach den höchsten Richter von Berlin, Günter von Drenkmann. Die Hungerstreiks der RAF-Gefangenen gehen weiter. Nach der Entführung des Berliner CDU-Politikers Peter Lorenz am 27. Februar 1975 gibt die Bundesstaatsanwaltschaft schließlich den Forderungen der Entführer nach Hafterleichterungen nach, Lorenz wird darauf freigelassen. Doch die Terrorwelle geht weiter: Am 25. April 1975 besetzt ein „Kommando Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm, die Befreiung der Geiseln fordert drei Todesopfer und mehrere Schwerverwundete. Der Terror der RAF geht auch nach der Einleitung der Prozesse gegen ihre Köpfe und Ideengeber weiter. Einen geeigneten Anlaß dazu bietet der Selbstmord von Ulrike Meinhof am 9. Mai 1976, den Gesinnungsgenossen als „Mord im staatlichen Auftrag“ verklären. Am 7. April 1977 wird der Generalstaatsanwalt Siegfried Buback ermordet, am 30. Juli 1977 wird der Bankier Jürgen Ponto erschossen. Am 13. Oktober 1977 entführen palistinensischen Terroristen die Lufthansa-Maschine „Landshut“, um mit Hilfe der Geiseln die Freilassung ihrer deutschen Gesinnungsgenossen zu erpressen; drei Tage später erschießen sie den Pilot der Maschine, am 18. Oktober werden die Geiseln durch einen Einsatz des Spezialeinsatzkommandos GSG9 befreit. Am gleichen Tag begehen Baader, Raspe und Ensslin Selbstmord. Auch ihr Tod wird zum staatlich organisierter Mord verklärt, bereits einen Tag später, am 19. Oktober, wird der Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer als „Racheakt“ erschossen. Mit dem Tod von Meinhof, Baader, Raspe und Ensslin aus eigener Hand endet die Geschichte der ersten RAF-Generation, doch nicht der Terror. Ihre Erben ermorden auch in den achziger und zu Beginn der neunziger Jahre nach ihrer Tradition weiter Konzernchefs, begehen Attentate auf US-Zivil- und Militärvertretungen in Europa sowie auf Vertreter der Bundesanwaltschaft. Im Gegensatz zur ersten Generation besaßen sie jedoch innerhalb der „Szene“ keinen vergleichbaren Status. Von den verbliebenen Terroristen der Anfangsjahre finden viele in der DDR eine neue Heimat, der sozialistische Teilstaat ist bereit, sie gegen die Verpflichtung, sich unauffällig zu integrieren, vor der drohenden Verhaftung und Verurteilung in Westdeutschland zu schützen. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks geraten die verbliebenen RAF-Terroristen endgültig ins Abseits. Ihre einstigen Gesinnungsgenossen in der DDR werden verhaftet und verurteilt. Die RAF ermordet am 30. November 1989 den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, verübt am 27. Juni 1990 einen Mordanschlag auf Staatssekretär Hans Neusel und ermordet am 1. April 1991 Treuhand-Chef Detlev Rohwedder. Doch diese Verbrechen vermögen nicht länger über die Zerrüttung in den eigenen Reihen zu täuschen: Am 10. April 1992 kündigt die Rote Armee Fraktion in einer Erklärung an, die „Eskalation vorläufig zurückzunehmen“. Am 20. April 1998 gibt die Terrororganisation schließlich ihre Selbstauflösung bekannt.
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