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Die Karawane zieht weiter

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Der Generalbundesanwalt ist zurückgetreten. Durch sein vorschnelles Handeln, mit dem er, ohne die näheren Umstände kennen zu können, die Potsdamer Ermittlungen an sich gezogen und so eine nächtliche Gewalttat in den Rang einer Staatsaffäre erhoben habe, habe er selbst die Stabilität und das innere Gefüge des Rechtsstaates in unverantwortlicher Weise gefährdet, erklärte ein sichtlich zerknirschter Kay Nehm vor den Kameras und Mikrofonen der deutschen Presse Ausdrücklich entschuldigte sich Nehm beim brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm, dessen frühe Mahnung zur Mäßigung er ignoriert habe. Der zu Unrecht Gescholtene ist inzwischen gefragter Interviewgast bei allen Sendern. Bei Christiansen, Illner und im Presseclub diskutieren Programmverantwortliche und Chefredakteure seit Wochen schonungslos über ihr eigenes Versagen bei der fortgesetzten einseitigen Berichterstattung über „fremdenfeindliche Gewalt“ in Deutschland. Die Aufklärungskampagne des Bundesinnenministers über Ursachen und Ausmaß des inländerfeindlichen Rassismus bei einzelnen Einwanderergruppen beherrscht derweil die Schlagzeilen, der Ruf nach einem gutdotierten Sofortprogramm der Bundesregierung wird lauter. Das alles ist nicht passiert, und niemand wundert sich, daß nichts dergleichen geschieht. Erst recht stellt niemand die einzig sich aufdrängende Frage: Was läuft tatsächlich falsch in einem Land, in dem eine – nach derzeitigem Kenntnisstand – gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Alkoholisierten mit tragischem Ausgang tagelang die Aufmacher der Leitmedien bestimmen kann? Die Frage ist um so drängender, als die aktuelle „Potsdam“-Hysterie kein Einzelfall ist. Reminiszenzen an den Fall Sebnitz werden wach, als Politik und Meinungsmacher bereitwillig auf die Geschichte einer geistig Verwirrten hereinfielen, „Nazis“ hätten am hellichten Tage vor aller Augen ein Kleinkind im Schwimmbad ertränkt. Die Reaktionen des medial vorgeprägten Publikums nach Bekanntwerden der wahren Umstände ähnelten einander: Gut, es war nicht so, aber es hätte so sein können, außerdem gebe es noch andere schlimme Fälle, und daher war die Aufregung irgendwie schon berechtigt. Selbst der Generalbundesanwalt, der im Fall Potsdam so peinlich überreagiert hat, kann für sich in Anspruch nehmen, es ja gut gemeint zu haben. „Gut gemeint“ in des Wortes schlimmster Bedeutung war auch Kanzler Schröders „Aufstand der Anständigen“ gewesen. Daß – wie sich nach dem seinerzeitigen Kundgebungsmarathon herausstellte – der anlaßgebende Anschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge nicht von glatzköpfigen Neonazis, sondern von fanatisierten arabischen Jungmigranten ausgeführt worden war, führte keineswegs dazu, daß der „Aufstand“ in Frage gestellt wurde. Die spektakuläre Enthüllung führte auch nicht zu einer neuen Kampagne mit geänderter Stoßrichtung, die etwa das tatsächlich vorhandene Problem des via Einwanderung importierten Antisemitismus ins Visier genommen hätte. Ein Problem, das nicht zuletzt auch den hier lebenden Juden größte Kopfschmerzen bereiten müßte. Wer allerdings dieser Tage die zahlreichen Nachrufe auf den verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden gehört und gelesen hat, vernahm zum wiederholten Male, daß damals der Neonazismus abermals sein kahles Haupt erhoben und Paul Spiegel bei dessen Bekämpfung ganz vorne gestanden habe. Die störenden Tatsachen, damals kurz erwähnt, waren wieder verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Hat man also aus Sebnitz und Potsdam, hat man aus dem auf untauglicher Faktenbasis angezettelten „Aufstand der Anständigen“ nichts gelernt? Die Frage ist falsch gestellt. Längst hat der „Kampf gegen Rechts“ für die politischen und medialen Eliten der neuen gesellschaftlichen Mitte den Rang der Staatsräson erreicht. Betriebsunfälle à la Sebnitz und Potsdam hindern die Karawane nicht am Weiterziehen und sind erst recht kein Anlaß, die einseitig gefärbte Brille abzusetzen. Also steht weiterhin in jeder Meldung über die Potsdamer Gewalttat die Wendung „rassistischer Überfall“, wenn auch inzwischen mit dem Epitheton „mutmaßlich“. Als dies angebracht gewesen wäre, als nämlich von den näheren Umständen der Tat noch so gut wie nichts bekannt war, fehlte das „mutmaßlich“ – die Vorverurteilung durch wertende Adjektive war kein Versehen, sondern Gutmenschenpflicht. Im Bestreben, die voreilig vertretene Tatversion nachträglich zu erhärten, wurden selbst schludrig recherchierende „Antifaschisten“ herumge-reicht, als wären sie wissenschaftliche Autoritäten. Die Propagandisten verstehen ihr Handwerk; manche haben die Spielregeln so verinnerlicht, daß sie sich dessen gar nicht mehr bewußt sein mögen. Selektive und isolierte Faktenauswahl ist so ein Mittel, mit dem sich trefflich manipulieren läßt, ohne die Regeln objektiver Berichterstattung formal zu verletzen. In manchen ländlichen Gegenden Mitteldeutschlands leben Ausländer gefährlicher als anderswo – stimmt. In vielen Vierteln vieler Städte ist es umgekehrt – stimmt auch, ist aber kein Thema für die Medien und auch nicht für den Generalbundesanwalt. Wollte der jeden Fall an sich ziehen, in dem Deutsche Opfer von Gewalttaten werden, weil sie Deutsche sind, hätte er viel zu tun; und käme jeder solche Fall regelmäßig mit entsprechender Kommentierung in die Tagesschau statt unscheinbar in die Lokalnachrichten, wäre der Ruf nach Lichterketten gegen Ausländergewalt wohl nicht mehr weit. Aber Rassisten können ja immer nur die einen sein, und Opfer immer nur die anderen. Den kritischen Zeitungsleser befallen da mitunter spätsowjetische Stimmun-gen. So muß es sich angefühlt haben, einen Prawda-Leitartikel zur Breschnjew-Zeit zu lesen, in dem unbeirrt die Parteilinie bejubelt wurde, während doch mitdenkenden Zeitgenossen klar sein mußte, daß die Realität anders aussieht. Wer heute in unserer gespaltenen Informationsgesellschaft tatsächlich informiert sein will, muß sich anstrengen und darf nicht alles glauben – eine Haltung, die an die von Dissidenten in autoritären Regimen erinnert. Hier enden freilich die Parallelen. Niemand zwingt die Massenmedien, in einer bestimmten Weise zu berichten oder etwas zu verschweigen. Sie sind frei, aber sie haben versagt. Statt zu filtern und zu hinterfragen, was Politiker und Lobbyisten, „Antifaschisten“ und Agitatoren mit ihrer Hilfe transportieren möchten, haben sie Partei ergriffen oder sich instrumentalisieren lassen. Die Freiheit zur Selbstkritik ist ihnen aber unbenommen. Sie zu nutzen und sich der Verantwortung zu stellen, die der freien Presse in einer Demokratie zukommt, ist überfällig. Schließlich leben wir ja nicht in der Sowjetunion.

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