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„Fels in der Brandung“

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„Fels in der Brandung“

 

„Fels in der Brandung“

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Der Jury – Frau Löwenthal, Herrn Schenk, Herrn Stein – habe ich nicht für irgendeinen Kulturpreis zu danken, groß oder klein, sondern für eben diesen, ihren Preis. (…) Dazu nun drei Stichworte: die Frankfurter Republik, Gerhard Löwenthal und konservative Strategie. Zunächst zur Frankfurter Republik. Die Mentalitätsgeschichte der deutschen Nachkriegszeit weist zwei grundverschiedene Perioden auf. Während sich die Mentalität in den fünfziger Jahren von der vor Kriegsbeginn kaum unterschied, setzte zu Beginn der sechziger Jahre ein einschneidender Mentalitätswandel ein. Eine Wasserscheide, wissenschaftstheoretisch ausgedrückt ein Paradigmenwechsel, liegt zwischen den fünfziger und den sechziger sowie den darauffolgenden Jahren. Die Leitkultur diesseits der Wasserscheide ist bunt zusammengesetzt aus Liberalisierung, Emanzipation, Zweiter Aufklärung, Modernisierung, Moralisierung, Vergangenheitsbewältigung, Wertewandel, Westernisierung, Befreiung, Schuld- und Gedenkkultur. (…) Dabei läßt sich die in den sechziger Jahren beginnende mentalitätsgeschichtliche Periode auf nur zwei Worte reduzieren: Frankfurter Republik. (…) Als Politikersatz dominierte nun der Kampf um Worte, der korrekte Zungenschlag oder, wie es der Historiker Heinrich August Winkler formulierte und praktizierte, der „Griff nach der Deutungsmacht“. Zu den umkämpften Vokabeln zählt auch konservativ, Konservatismus. Aus einer Selbstbezeichnung wurde in der Frankfurter Republik eine Fremdbezeichnung, mit der Medien, Parteien, Politwissenschaftler ihnen mißliebige Personen und Strömungen belegten. (…) Selbstbezeichnung statt Fremdbezeichnung ist für den Konservatismus konstituierend. Als die Vorgänge des Jahres 1968 zu einer Scheidung der Geister führten, kam es entgegen aller Wolkenstürmerei zu Bemühungen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Man stieß auf den Konservatismus. Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Günter Rohrmoser, Armin Mohler, eine Reihe neuer Zeitschriften wie Konservativ heute, Criticón, Zeitbühne und Deutschland-Magazin bemühte sich intensiv, die Selbstbezeichnung zu verbreiten und inhaltlich auszufüllen, ebenso Gerd Löwenthal. Gerd Löwenthal wurde allerdings auf einer höheren Etage tätig als wir anderen. Er konnte seine Auffassungen nicht nur formulieren, sondern auch mit den im Medienzeitalter gültigen Mitteln verbreiten. Journalist der ersten Stunde, hatte er, als er vom Fernsehrat einstimmig gewählt im Januar 1969 als Moderator des neuen ZDF-Magazins auf Sendung ging, über zwanzig Jahre Medienerfahrung hinter sich. Die ihm gestellte Aufgabe war, den politischen Magazinen der ARD – Panorama, Monitor, Report – eine Kontrastsendung gegenüberzustellen. Die ARD-Magazine waren bis über die Ohren linksliberal. Der Kontrast fand sich auf der konservativen Seite. Löwenthal griff „konservativ“ als Selbstbezeichnung auf und hielt daran fest. Das Resultat war unerwartet. In diesen Jahren war viel von der Asymmetrie des Parteiensystems und der Notwendigkeit einer „Vierten Partei“ die Rede. Die „Mittwochspartei“ der engagierten Zuschauer des ZDF-Magazins (…) war der chancenreichste Ansatz in dieser Richtung. Doch bestand die Mittwochspartei aus sehr vielen Parteigängern und keinerlei Funktionären. (…)Es bleiben jedoch Erfahrungen, die Löwenthal auf der oberen Etage gesammelt hat. Er sah davon ab, die Argumente der Gegenseite zu widerlegen. Ihm war es allem darum zu tun, die eigene Agenda zu vertreten. Reagieren sollten ruhig die anderen. Löwenthals Naturell verbot ihm, sich anzupassen. Er wolle „einfach in der Landschaft stehen wie ein Fels in der Brandung“. Der Pragmatiker Löwenthal machte sich keinerlei Illusionen, daß die Erfolge seines Magazins das Meinungsklima in der Frankfurter Republik ändern würden, doch hinderte ihn das nicht, bis zuletzt standhaft und aktiv zu bleiben. (…)Die dicht aufeinanderfolgenden Krisen sind durchaus Symptome des Zerfalls der Frankfurter Republik. Mitten in diesem Prozeß fehlt der Abstand, um das Miterlebte einzuordnen. Doch geht es nicht nur uns so. In seiner Laudatio auf Karl Heinz Bohrer anläßlich der Verleihung des diesjährigen Großen Literaturpreises der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sprach der Laudator Thomas Steinfeld, Literaturredakteur der Süddeutschen Zeitung, von der kritischen Theorie – das ist die Selbstbezeichnung der Frankfurter Schule – als der „bis vorgestern – oder war es heute morgen? – herrschenden Denkschule“. Es tut sich was. Es könnte die Stunde der strategischen Konservisten sein. Caspar v. Schrenck-Notzing (Foto) Aufmerksames Auditorium im Gotischen Saal der Zitadelle Spandau: „Seit über zweihundert Jahren haben sich immer wieder Gegner der geistig-kulturellen Gleichschaltung und der Verabstrahierung der Menschen gefunden, man nannte sie allgemein Konservative.“ Foto: Caspar von Schrenck-Notzing (Mitte) nimmt den Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für Publizisten entgegen, neben ihm das Preiskomitee aus Fritz Schenk, Ingeborg Löwenthal und Dieter Stein (v.r.n.l.): Der Preis wird alljährlich anläßlich des Todestages von Gerhard Löwenthal verliehen

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