Statt die Migration human zu gestalten“, ereiferte sich vor kurzem Dominic Johnson, der „Afrika-Experte“ der tageszeitung, über die Vorgänge in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, rufe „die EU den Verzweifelten zu: Bleibt bloß zu Hause“. Diese Haltung sei ein „Skandal“. Die Grenzen, mit denen sich das „reiche Europa“ vom „Armutskontinent Afrika“ abschotte, seien „heute viel mörderischer, als es je der Eiserne Vorhang war“. Ähnlich sieht es Johnsons Kollege Michael Schwelien in der Zeit. Er ist der Meinung, daß der „antifaschistische Schutzwall“ des DDR-Regimes „ein krudes Bauwerk“ gegen die „High-Tech-Anlagen in Ceuta und Melilla“ gewesen sei. „Wer Afrika helfen will, muß die Migration fördern“ Worauf die für Zuwanderungslobbyisten typische Argumentation von Johnson und Schwelien hinausläuft, ist unschwer zu erraten: „Wer Afrika helfen will“, insinuiert Johnson, „muß die Migration fördern, legale Möglichkeiten zum Geldverdienen in der Fremde schaffen.“ Was in einem derartigen Fall auf Europa zukommen wird, darüber schweigen sich Johnson und andere Zuwanderungslobbyisten allerdings aus. Nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation werden in den nächsten zehn Jahren 300 Millionen junge Afrikaner nach Arbeit auf dem schwarzen Kontinent suchen. Die Alternativen, zwischen denen sie zu wählen haben, lauten Kriminalität, Milizen oder eben Emigration. Unter „Arbeitsmigration“ werden hier so unterschiedliche Migrationsformen wie Saisonarbeit, Migration qualifizierter Arbeiter oder Transfer von Beschäftigten in multinationalen Unternehmen verstanden. Als eine Form der Arbeitsmigration gilt auch der Nachzug von Familienmitgliedern von Gastarbeitern. Er ist seit vielen Jahren Hauptgrund für Zuwanderung in die OECD-Länder. Schon heute stammt ein großer Teil der in der EU lebenden Ausländer aus Afrika: 2001 waren in den europäischen OECD-Ländern 10,6 Prozent aller Zuwanderer afrikanischer Herkunft. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) stammen von den in der EU lebenden Einwanderern 4,6 Millionen aus afrikanischen Ländern, die meisten von ihnen aus nordafrikanischen Staaten. Sie leben vornehmlich in Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland, wo sich derzeit über 300.000 Afrikaner befinden sollen. Knapp die Hälfte von ihnen stammt laut Statistischem Bundesamt (2004) aus Nordafrika. Insgesamt gelten die Staaten des Maghrebs als Transitländer illegaler Migranten. Sprich: Die Wege der illegalen Migranten aus Afrika heraus verlaufen insbesondere über diese Staaten, wobei diese Bewegung in den letzten zehn Jahren immer größere Ausmaße angenommen hat. Da viele Migranten zunächst keine Möglichkeit haben, weiter nach Europa zu gelangen, sehen sich Staaten wie Algerien und Marokko mit einer immer größer werdenden Zahl von „Transitmigranten“ konfrontiert, die zwar einerseits auf eine Gelegenheit zur Weiterwanderung hoffen, gleichzeitig aber für längere Zeit im Land leben. Als Hauptherkunftsländer gelten Sierra Leone, Mali, Senegal und Nigeria. Hauptknotenpunkte für auswanderungswillige Afrikaner aus West- und Zentralafrika sind laut Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 6. Juli 2003 der malische Wüstenort Gao sowie die Stadt Agadez in Niger. Emigranten aus Nigeria, Ghana, Benin, Burkina Faso oder Liberia beginnen von hier aus ihren Weg durch die Sahara an die Mittelmeerküste und nehmen zu diesem Zweck die Dienste von kommerziellen und kriminellen Menschenschmugglern in Anspruch. Die Route von Mali aus führt über Algerien nach Marokko und von dort aus zu den Kanarischen Inseln, nach Ceuta und Melilla sowie aufs spanische Festland. Das Schleusen von Migranten nach Europa hat sich in Afrika zu einem regelrechten Wirtschaftszweig entwickelt. In der nigerianischen Metropole Lagos beispielsweise, so berichtet das BMZ auf seinen Internetseiten, haben sich rund um die Konsulate der europäischen Staaten „Berater“ niedergelassen, die Visa-Anträge korrekt ausfüllen und gegen entsprechende Bezahlung gefälschte Hotelreservierungen, Kontoauszüge und andere Dokumente bereitstellen, die Voraussetzung für ein Touristenvisum für den Schengenraum sind. Europa gilt als Paradies, in dem Milch und Honig fließen Wie Afrikas Politiker das Problem der steigenden Migration zu lösen gedenken, kann zum Beispiel an den Aussagen des senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade abgelesen werden, der laut Nachrichtenagentur AFP erklärte: „Europa braucht eine Einwanderungs- und Afrika eine Auswanderungspolitik.“ Mit anderen Worten: Es kommt afrikanischen Politikern nicht ungelegen, wenn der Bevölkerungsüberschuß in Afrika nach Europa abwandert. Vor diesem Hintergrund könnten die Ereignisse in Melilla und Ceuta der vergleichsweise harmlose Auftakt zu deutlich massiveren Wanderungswellen von Schwarzafrikanern nach Europa sein. Hiesige Zuwanderungslobbyisten versuchen mit der Diffamierung jeglicher Abwehrversuche gegen Zuwanderung die Weichen in Richtung unregulierte Zuwanderung zu stellen. Dominic Johnson, der hier pars pro toto steht, beschreibt sein Wunschszenario wie folgt: „Afrikanische Länder müssen selbst definieren, mit welchem Ziel und unter welchen Umständen sie Bürger ziehen lassen wollen.“ Zur Vorbereitung dieses Ziels gehört auch die planvolle Desinformation. Hier wäre beispielsweise die Mär zu nennen, daß es sich in Ceuta und Melilla um einen „Ansturm der Verzweifelten“, sprich: um „Armutsflüchtlinge“ handeln soll. Tatsächlich ist wohl das Gegenteil der Fall. In einem der wenigen Hintergrundartikel, die zumindest ansatzweise versuchen, die wahren Motive zu erhellen, zitiert der Publizist Alfred Hackensberger in einem Beitrag für die Internetseiten von Telepolis Vertreter des Weißen Kreuzes in Ceuta und Tanger mit den Worten: „Die meisten haben Geld. Wer kein Geld hat, kann die große Reise nach Marokko gar nicht antreten. Sie haben Telefone, sind gut gekleidet, gebildet, alles andere als sozial derangiert, wie man es sonst hier von der Straße kennt, von den Ghettos.“ Hackensberger kommt deshalb zu dem Schluß, daß die „Armutsflüchtlinge“ besser als „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu bezeichnen wären, und kommentiert: „In ihren Heimatländern haben sie ein festes Auskommen, eine Wohnung, können Frau und Kinder ernähren. Sie wollen ein besseres Leben, wenn sie es im Fernsehen sehen und von Freunden und Bekannten hören, die im Westen reich wurden.“ Europa gilt in Afrika als Paradies, in dem Milch und Honig fließt. So wird es augenscheinlich von denjenigen Afrikanern dargestellt, die in Europa – wie und auf welchen Wegen auch immer – zu Geld gekommen sind. Sie üben auf die Zurückgebliebenen einen hohen Anreiz aus, selber den Weg nach Europa zu nehmen. „Die Anwesenheit von Verwandten und Bekannten im Ausland, die Eingliederungshilfe leisten können“, konstatiert das BMZ, „spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, Migrationspläne in die Tat umzusetzen. Damit sind auch die sich ständig verbessernden Informationsnetze und die Ausdehnung des Informationsflusses Ursachen dafür, daß die Migration aus den ärmeren Regionen der Welt in die wohlhabenden Regionen weiter ansteigt.“ Für das bessere Leben in Europa lassen viele, die von zu Hause mit zum Teil nicht unerheblichen Geldsummen unterstützt werden, Arbeitsplätze und Familie in ihren Heimatländern zurück. An den Brechstangen, die eine möglichst uneingeschränkte Erstürmung der „Festung Europa“ ermöglichen sollen, wird seit längerem fleißig gearbeitet. Geht es zum Beispiel nach der von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzten Weltkommission für Internationale Migration (GCIM), dann soll Europa, das für Zuwanderung bereits löchrig wie ein Schweizer Käse ist, möglichst noch löchriger werden. Die GCIM, nur eine in einer ganzen Reihe von UN-Institutionen, die sich aktiv mit dem Thema Migration beschäftigen, wurde 2003 ins Leben gerufen und setzt sich aus „Persönlichkeiten“, darunter Rita Süssmuth (CDU), zusammen. Dabei wird mit den üblichen, von der Realität längst widerlegten Trugbildern gearbeitet. So erklärte Rolf Jenny, Direktor des Sekretariats der Kommission, laut Neuer Zürcher Zeitung, die Öffentlichkeit müsse „erkennen, daß Migration eine positive Wirkung auf die Weltwirtschaft hat und das Problem der illegalen Einwanderung nur einen kleinen Aspekt davon darstellt“. In einem Bericht, den die GCIM just vorgelegt hat („Migration in einer interdependenten Welt“, 10/05), wird angeregt, „durch eine flexiblere Vorgehensweise das Potential an Wanderarbeitern zu nutzen, um Lücken im globalen Arbeitsmarkt zu schließen“. Wo genau sich diese Lücken in der von Arbeitslosigkeit gekennzeichneten EU finden, darüber verliert der Bericht kein Wort. Muß er auch nicht, denn als neues Standardargument für die Beseitigung der letzten Zuwanderungshindernisse dient mehr und mehr die demographische Katastrophe, auf die fast alle EU-Staaten zusteuern. So stellt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) fest: „Im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungsgröße brauchen Italien und Deutschland die höchste Netto-Zuwanderung, um den Bestand der Bevölkerung im arbeitsfähigen erhalten zu können.“ Der Bericht der GCIM kulminiert entsprechend in der Aussage: „Die Menschen müssen aus freiem Willen und auf legale Weise auswandern“ können. Des weiteren wird eine „rein restriktive Herangehensweise an irreguläre Migration“ abgelehnt, weil sie die Rechte von Flüchtlingen und Migranten gefährden könnte. Wie in derartigen Berichten üblich werden Politiker und Medien, die „Ängste vor Migranten“ in der Bevölkerung schüren, scharf kritisiert. Grund: Durch Ausgrenzung werde verhindert, daß Einwanderer ihr Potential ausschöpften und ihren „Beitrag zur Entwicklung des Aufnahmelandes“ maximierten. Das soll in Zukunft möglichst auch für illegale Einwanderer gelten. So fordert zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen: „Vor allem Einwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis sind immer mehr Ausbeutung und Rassismus ausgesetzt. Bei der Diskussion um Einwanderungspolitik müssen die Regierungen mehr Verantwortung für die Integration und Beschäftigung dieser Menschen übernehmen.“ Die Europäer stehen an einem Wendepunkt. Werden die geschilderten Zuwanderungsszenarien, zu denen auch noch die Folgen eines EU-Beitritts der Türkei hinzugerechnet werden müssen, auch nur ansatzweise Realität, wird sich die bereits eingeleitete Mutation Europas in eine „post-europäische“ Gesellschaft nicht mehr abwenden lassen. Hier und jetzt müssen die Europäer entscheiden, welches Europa sie wollen. Viel Zeit – das machen die Krawalle in Frankreich überdeutlich – bleibt ihnen allerdings nicht mehr. Stichwort: UN-Organisationen zur Migration GCIM (Global Commission on International Migration): Die Weltkommission für Internationale Migration wurde 2003 von UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen. ILO (International Labour Organization): Die Arbeitsorganisation befaßt sich mit den Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitnehmern. OHCHR (Office of the High Commissioner for Human Rights): Das Amt arbeitet in den Bereichen Flucht, Verfolgung und Menschenhandel. UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization): Förderung der Rechte von Migranten. UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees): Der Hohe Flüchtlingskommissar setzt sich gegen Verfolgung und für Migranten ein.
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