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Amerikanischer Ankerstaat in Zentralasien

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Amerikanischer Ankerstaat in Zentralasien

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Es ist schwer, dem strategischen Reiz Usbekistans nicht zu erliegen. Mit 25 Millionen Einwoh-nern liegt es im Herzen Zentralasiens auf gewaltigen Gas-, Öl- und Goldvorkommen. Sechs Millionen Usbeken leben in anderen zentralasiatischen Republiken, wo sie als besonders aggressiv, tüchtig und einflußreich gelten. Zwei Millionen leben im Nordwesten Afghanistans, wo der einst mit den Sowjets verbündete Usbeken-General Abdul Raschid Dostum sich später als US-Alliierter und als Liquidator talibanischer Gefangener einen berüchtigten Namen machte. Heute kontrolliert er als Vizeverteidigungsminister Afghanistans den Heroin-„Export“ über Usbekistan. Islam Abduganijewitsch Karimow, einst Apparatschik der KPdSU, seit 1991 autoritär herrschender Präsident Usbekistans, hatte drei Schlüsselerlebnisse, die ihn um seinen Machterhalt fürchten ließen: die Revolution der Mullahs im Iran, der Bürgerkrieg zwischen kommunistischen und muslimischen Klans im benachbarten Tadschkistan (1992 -1997) und der Sieg der Taliban 1996 in Kabul, die dort den Präsidenten und Sowjetkollaborateur Mohammed Nadschibullah nach schwerer Folter an einem Laternenmast aufhängten. Um diesem Schicksal zu entgehen, entschloß sich Karimow zur brutalen Unterdrückung jeglicher Islamisten und anderer politischer Gegner im Innern – und zum Bündnis mit den USA. Denn auf die Russen, so der 67jährige, der besser Russisch als Usbekisch spricht, sei kein Verlaß. Außerdem störte Karimow, der auf eine Vormachtstellung in Zentralasien abzielt, russisches Großmachtgehabe – etwa in Gestalt russischer Truppen in Tadschkistan (JF 11/05). Da kommt US-Militär- und Wirtschaftshilfe sehr gelegen. Usbekistan wurde deshalb Mitglied der gegen-russischen Gruppierung GUUAM (Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan, Moldawien) und trat schon 1994 der Nato-Partnerschaft für den Frieden bei. Doch als Karimow 1996 Washington besuchte, bekam er erst einen Kurztermin mit US-Präsident Bill Clinton, nachdem er einige politische Gefangene symbolisch freigelassen hatte. Damals warnte der spätere Pentagon-Vize Paul Wolfowitz, daß die Russia first-Politik der Demokraten leicht zu einer Russia only-Politik degenerieren könnte. Zbigniew Brzezinkski, Ex-Berater von US-Präsident Jimmy Carter, erklärte Usbekistan zum amerikanischen „Ankerstaat“ in Zentralasien. 1998 besuchte Karimow als erster zentralasiatischer Staatschef Israel – wo seine Gastgeber ihn nicht mit unpassenden Menschenrechtsfragen nervten. 220 Millionen Euro an Hilfe aus Deutschland Bei dem US-Feldzug gegen die Taliban wurden im Oktober 2001 5.000 US-Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Chanabad stationiert. Heute sind es noch etwa 2.000, die auch die Ausbildung der 80.000 Mann starken Armee und der Milizen des usbekischen Innenministeriums und der Grenztruppen des Geheimdienstes anleiten. Aus US-Sicht ist Usbekistan mittlerweile ein verläßlicher Verbündeter geworden, dessen Wohlverhalten mit einem Anstieg der Wirtschaftshilfe auf 300 Millionen Dollar jährlich belohnt wird. Auch an deutscher Entwicklungshilfe flossen seit 1992 220 Millionen Euro nach Usbekistan, aus EU-Kassen zusätzlich 120 Millionen Euro. Die Weltbank spendierte noch einmal 600 Millionen Dollar und Japan 100 Millionen Dollar. Gelegentlich moniert das US-Außenministerium das Ausbleiben marktwirtschaftlicher Reformen und das Verschwinden von Dissidenten. Diese Kritik und das Einfrieren von 18 Millionen US-Dollar an Wirtschaftshilfe entnervten Karimow Ende 2004 so, daß er mit der Wiederbelebung der Freundschaft mit Moskau drohte. Inzwischen forderte Moskau den Abzug der Amerikaner aus seinem Hinterhof. Und die relative Ruhe im Lande könnte trügerisch sein. Denn während die Klans um Karimow, Ex-KP-Kader und Neureiche mit Gold und Baumwolle Kasse machen (was in einem kommenden JF-Beitrag thematisiert wird), verarmt das Land. Für die Landarbeiter der Baumwoll-Kolchosen beträgt der Monatslohn umgerechnet nur zwei Euro. Dazu können sie wie zu Sowjetzeiten auf Eigenparzellen Gemüse und Obst anbauen, und auf gepachtetem Land das, was der Kolchose-Chef will, nämlich Baumwolle oder Weizen, und ihm die Ernte dann zum Niedrigstpreis verkaufen. Auch besteht aus Sicherheitsgründen das sowjetische „Prospuk“-System weiter. Reisen innerhalb des Landes (und ins Ausland) müssen von der Ortspolizei genehmigt werden. Ihre Einhaltung wird an zahlreichen Polizeisperren kontrolliert. Fahrrad und Esel sind auf dem Land immer noch die üblichen Fortbewegungsmittel der einfachen Leute. Bei einer verbesserten Verteilung des Wassers und angemessenen Erzeugerpreisen könnten die fruchtbare Gegend von Samarkand und das Fergana-Tal eigentlich zu Wohlstand kommen. Statt dessen grassieren Armut und Arbeitslosigkeit – in dem dichtbesiedelten Fergana-Tal liegt sie bei 35 Prozent. Auch die Infrastruktur und die Dorfschulen verfallen. Mit dem hohen Bildungsniveau der Bevölkerung – 99 Prozent der Bürger des Landes können lesen und schreiben – und seinen gewaltigen Vorkommen an Gold, Kupfer, Erdgas und Erdöl könnte Usbekistan reich sein. Nach den gefälschten Statistiken ist es das auch – in Wirklichkeit geht es immer mehr bergab. Die von den Sowjets ererbte Industrie, die Tschkalow-Flugzeugwerke in Taschkent, die Bergwerke und Metallurgiebetriebe von Almalyk, die Kunstdüngerwerke von Navoi und die Baumwollspinnereien von Bucharatex, sind alle weiter in staatlichem Besitz und werden von den Klans der örtlichen Nomenklatura ausgebeutet. Das Navoi-Kombinat, das ein Drittel des sowjetischen Goldes förderte, arbeitet direkt für die Rechnung des Präsidenten. Als einstiger Finanzminister und Vizeregierungschef von Sowjet-Usbekistan hält er nichts von Privatisierungen – außer in die eigene Tasche. Es gibt keine funktionierenden Banken, und wegen der Kontingentierung des Bargeldes herrscht zumeist Realtausch. Angesichts der allgemeinen Rechtsunsicherheit, der Korruption und hohen Steuern und Zölle haben sich die einheimischen Investitionen, die ohnehin rückläufig waren, seit 2001 noch einmal halbiert. Ausländische Investoren nehmen meist schnell Reißaus. Genehmigungen erteilt ohnehin nur Karimow selbst, seine Minister trauen sich nicht. Oft gibt es auch „vertrauliche Gesetze“ und „interne Anweisungen“, die für Wirtschaftstreibende ohne deren öffentliche Kenntnis angewandt werden. Vier Millionen Usbeken als Saisonarbeiter im Ausland Der koreanische Konzern Daewoo, der als einziger tollkühner Investor hier ein PKW-Werk bauen wollte, ist mittlerweile pleite und gehört zu General Motors. Auch der Außenhandel ist rückläufig. Mangels Geschäft schloß auch die Repräsentanz der deutschen Industrie in Taschkent im Juli 2004 wieder ihre Pforten. Die russische Minderheit, die in den Städten insgesamt noch eine Million Einwohner zählt, wandert angesichts der sich verschlechternden Lebensverhältnisse immer stärker ab. Unter den fehlenden Ingenieuren, Ärzten und Technikern leiden dann die medizinische Versorgung, die Strom- und Wasserversorgung und andere technische Dienste. Vier Millionen Usbeken arbeiten als Saisonarbeiter im Ausland, vor allem in Rußland, wo sie bis zu 100 Euro im Monat verdienen können – ein kleines Vermögen in Usbekistan. Die widrigen politischen und Lebensverhältnisse belasten auch den Fremdenverkehr. Dabei hat Usbekistan mit den Märchenstädten der Seidenstraße, Samarkand und Buchara, sowie mit Chiwa (wo noch im 19. Jahrhundert auf dem größten Sklavenmarkt der Welt insgesamt eine Million Sklaven verkauft wurden) die touristisch reizvollsten Baudenkmäler Zentralasiens. Das läßt sich leider nicht von allem sagen. Kokand wurde 1918 von Sowjets zerstört. Taschkent fiel 1966 einem verheerenden Erdbeben zum Opfer und wurde im Stil der trostlosen „sowjetischen Moderne“ wieder aufgebaut, wo es dann als faktische Hauptstadt Zentralasiens mit den größten Behörden, Betrieben und Instituten bis zum Untergang der Sowjetunion wirkte. Der Aralsee wurde von den Sowjets in weniger als einer Generation sehenden Auges zerstört, ohne daß sich jedoch seither die mittelasiatischen Nachfolgestaaten zu irgendwelchen Rettungsaktionen bemüßigt sehen. Seit 1960 die Zuflüsse Amu und Syr für den wasserintensiven Baumwollanbau umgeleitet wurden, verlor er 75 Prozent seines Volumens und 50 Prozent seiner Oberfläche. Er wird in wenigen Jahren wohl ganz ausgetrocknet sein. In Sandstürmen werden jetzt die freigesetzten Chemikalien des monokulturell betriebenen Baumwollanbaus und das Salz des verdunsteten Sees übers Land geblasen und erreichen als Giftstaub schon das Schwarze Meer. Als Ergebnis ist auch an anderen Orten Zentralasiens das Trinkwasser mit Schwermetallen, Pestiziden und Salz belastet. Nierenkrankheiten sind die Folge. Um den Aralsee selbst sind TBC und Bluterkrankungen stark gestiegen, ebenso die Kindersterblichkeit durch Lungenkrankheiten. Das Erbe der alten und neuen Mißwirtschaft ist wahrlich gnadenlos. Foto: Regierungspalast aus Sowjetzeiten in Taschkent: Mittlerweile ein verläßlicher Verbündeter der USA, dessen Wohlverhalten mit einem Anstieg der Wirtschaftshilfe auf 300 Millionen Dollar jährlich belohnt wird, Usbekistan: Rechtsunsicherheit, Korruption und hohe Steuern Stichwort: Bundeswehr Die Bundeswehr steht mit 300 Soldaten in Usbekistan. Von der Grenzstadt Termez aus werden Versorgungsflüge nach Afghanistan durchgeführt. In diesem trostlosen Kaff, 4.000 Kilometer weit weg, wo lediglich Ruinen von besseren Vorzeiten künden und die Temperaturen zwischen Sommer und Winter extrem stark schwanken, sollen „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigt“ werden. Kanzler Gerhard Schröder meinte, ohne Termez „hätten wir unseren Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und zum Wiederaufbau Afghanistans nicht leisten können“.

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