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Verfassungsschutz: Jetzt reagiert die AfD – Parteispitze sieht „Schlag gegen die Demokratie“

Verfassungsschutz: Jetzt reagiert die AfD – Parteispitze sieht „Schlag gegen die Demokratie“

Verfassungsschutz: Jetzt reagiert die AfD – Parteispitze sieht „Schlag gegen die Demokratie“

AfD-Chefs Weidel und Chrupalla, deren Partei nun als gesichert rechtsextrem gilt.
AfD-Chefs Weidel und Chrupalla, deren Partei nun als gesichert rechtsextrem gilt.
Unter Beobachtung: AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Verfassungsschutz
 

Jetzt reagiert die AfD – Parteispitze sieht „Schlag gegen die Demokratie“

Lange arbeitete der Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten zur AfD. Nun ist klar: Die Gesamtpartei gilt fortan als „gesichert rechtsextremistisch“. Politiker von SPD, Grünen und Linken fordern ein Verbotsverfahren.
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KÖLN/BERLIN. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die Alternative für Deutschland in ihrer Gesamtheit am Freitag als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Die Kölner Behörde stützt die Entscheidung dabei vor allem auf das „ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“, das in der Partei vorherrsche und „nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“ sei, wie aus einer Mitteilung hervorgeht. Basis ist ein 1.100-seitiges Gutachten, das der Verfassungsschutz nicht veröffentlichte.

Die AfD-Spitze verurteilte die Hochstufung am Freitagmittag als „schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“. Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla verwiesen darauf, daß aktuelle Umfragen die AfD als stärkste Kraft führten. „Der Geheimdienst verfügt noch nicht einmal mehr über einen Präsidenten. Und die Einstufung als sogenannter ‚Verdachtsfall‘ ist nicht rechtskräftig abgeschlossen.“

AfD will sich juristisch wehren

Trotzdem werde die AfD „als Oppositionspartei nun kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert. Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozeß ist daher erkennbar politisch motiviert.“ Weidel und Chrupalla kündigten an, daß sich die Partei „gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen“ werde. Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch ergänzte gegenüber der Bild, das Vorgehen des Verfassungsschutzes sei „ein Anschlag auf die Demokratie und bereitet den Weg in einen autoritären Staat“.

Der Verfassungsschutz argumentierte am Freitag, das Volksverständnis der AfD ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen und sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, heißt es in der Mitteilung.

Verfassungsschutz sieht „ausgrenzendes Volksverständnis“

Dabei sei „dieses ausgrenzende Volksverständnis“ ideologische Grundlage „für eine kontinuierliche Agitation“, bei der Personengruppen „pauschal diffamiert und verächtlich gemacht“ würden. Das zeige sich in vielen fortlaufend getätigten „fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlichen Äußerungen von führenden Funktionärinnen und Funktionären der Partei“. Der Verfassungsschutz verweist konkret auf die Verwendung von Begriffen wie „Messermigranten“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), deren Ministerium das BfV nachgeordnet ist, bezeichnete die Bewertung am Freitag als „klar und eindeutig“. Der ethnische Volksbegriff widerspreche „klar der Menschenwürdegarantie des Artikels 1 des Grundgesetzes“. Zugleich betonte Faeser, daß der Verfassungsschutz unabhängig arbeite. „Es hat keinerlei politischen Einfluß auf das neue Gutachten gegeben.“

Faeser: „Keinerlei Automatismus“ für Verbotsverfahren

Aus der Spitze des Verfassungsschutzes hieß es, der Befund beruhe „auf einer äußerst sorgfältigen gutachterlichen Prüfung“. Dafür seien die Programmatik, Verlautbarungen der Bundespartei, Äußerungen und Verhaltensweisen von Parteivertretern sowie deren Verbindungen „zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen“ berücksichtigt worden.

Faeser betonte, sie habe unter anderem den kommenden Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und den kommenden Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) informiert. Mit Blick auf ein mögliches AfD-Verbotsverfahren sagte sie, es gebe diesbezüglich „keinerlei Automatismus“. Man sollte ein Verbot nicht ausschließen, aber zugleich sehr vorsichtig sein.

Daß die Einstufung jetzt bekanntgemacht worden sei, hänge damit zusammen, daß der Verfassungsschutz sein Gutachten am Montag vorgelegt habe. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte mit Blick auf ein Verbotsverfahren vor einem „Schnellschuß“.

Söder sieht „finalen Weckruf“

Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz sprach sich am Freitag dagegen aus, daß AfD-Abgeordnete repräsentative Funktionen im Parlament bekleiden. CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die Entscheidung des Verfassungsschutzes als „finalen Weckruf“. „Damit ist klar: Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben. Die Brandmauer steht weiterhin.“

Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, forderte im Spiegel dazu auf, der AfD „die Existenzgrundlage zu entziehen“, indem die Probleme der Menschen gelöst werden. Der CDU-Bundestagsbgeordnete Philipp Amthor zeigte sich kritisch mit Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren. Er warnte, ein Scheitern würde „instrumentalisiert werden als demokratisches Gütesiegel aus Karlsruhe“.

Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, forderte Bundesregierung, Bundestag und die Länder in der Bild dazu auf, „eine gemeinsame Linie“ zu finden. Sein hessischer Amtskollege Roman Poseck (CDU) kündigte eine Prüfung an, „inwieweit die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Auswirkungen auf AfD-Mitglieder und Funktionäre im öffentlichen Dienst hat“.

Lob aus FDP und Grünen

Die Grünen lobten die Entscheidung. „Die Partei steht nicht nur in weiten Teilen, sondern in Gänze mit unserer Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Kriegsfuß“, sagten ihre Innenpolitiker Konstantin von Notz und Irene Mihalic. Die Einstufung sei ein „wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist“. Sie sei außerdem „ein deutlicher Wink in Richtung derjenigen, die zuletzt für eine Normalisierung der Partei plädierten“. Ex-Parteichefin Ricarda Lang sagte mit Blick auf ein Verbotsverfahren: „Wann wäre der Moment, wenn nicht jetzt.“

Die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) schätzte die Hochstufung der AfD gegenüber der Deutschen Presse-Agentur als überfällig ein. „Die AfD ist nicht einfach eine Protestpartei, sondern eine rechtsextremistische Bewegung, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zerstören will.“

Mehrere SPD-Politiker fordern AfD-Verbot

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli sprach sich für ein Verbotsverfahren aus: „Für mich ist klar: Das Verbot muß kommen.“ Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge und Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier plädierten am Freitag für ein Verbotsverfahren. SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann sagte derweil der Rheinischen Post vor dem Hintergrund der Hochstufung der AfD, er halte eine Wahl von AfD-Vertretern in Ausschußvorsitze für ausgeschlossen.

Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, betonte: „Ab heute darf es keinen Zweifel mehr daran geben, daß die AfD die größte Gefahr für unsere Demokratie und unser Land ist.“ Sie forderte, ein Verbotsverfahren gegen die Partei „endlich“ auf den Weg zu bringen. „Als Linksfraktion werden wir alles dafür tun, daß dieser längst überfällige Schritt gegangen wird.“

Und so äußern sich konservative Publizisten

Derweil kritisierte die konservative Publizistin Birgit Kelle, der Verfassungsschutz sei „längst zum politischen Instrument verkommen im (erfolglosen) Versuch, den politischen Gegner mundtot zu machen. Das genau ist ein gesichert demokratiegefährdendes Verhalten.“ NZZ-Redakteurin Beatrice Achterberg bezeichnete die Entscheidung als „Unding“. Mit ihr würden „islamkritische Aussagen unter Generalverdacht“ gestellt.

Welt-Publizist Rainer Meyer, bekannt unter dem Namen „Don Alphonso“, analysierte, die Methodik der AfD-Einstufung sei „ein Angriff auf den neuen Innenminister der CSU: Wenn Islamkritik und ethnische Überzeugungen ausreichen, sind 50% der Bayern rechtsextrem. Das ist wenig erbaulich, wenn man dort gewählt werden will.“

Nius-Chefredaktuer Julian Reichelt kritisierte, daß der Verfassungsschutz sein Gutachten nicht veröffentlicht. „Das ist nichts anderes als eine Geheimjustiz, die das Vertrauen in unsere Demokratie massiv beschädigt.“ Der Jurist Joachim Steinhoefel zeigte sich überzeugt, „daß ein ganz erheblicher Teil der Bevölkerung diese Einstufung allein darauf zurückführen wird, daß die AfD in den Umfragen sehr erfolgreich ist und der Verfassungsschutz hier als reiner Erfüllungsgehilfe agiert“. Rechtliche Einschätzungen lesen Sie hier. Einen Kommentar von JF-Politikredakteur Christian Vollradt finden Sie hier. (ser)

Unter Beobachtung: AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
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