BERLIN. Die SPD hat den Vorstoß von Bildungsministerin Karin Prien (CDU), das Programm „Demokratie leben!“ überarbeiten zu wollen, scharf kritisiert. Die Aussagen Priens „irritieren extrem“, sagte die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Jasmina Hostert.
„Die lokalen Partnerschaften leisten vor Ort tagtäglich einen unverzichtbaren Beitrag zum Schutz unserer Demokratie“, betonte Hostert. „Diese Arbeit ist von unschätzbarem Wert und verdient höchste Anerkennung anstatt eines frontalen Angriffs.“ Zuvor hatte Prien in einem Interview mit der Welt angekündigt, Organisationen, die vom Förderprogramm „Demokratie leben!“ unterstützt werden, durch Sicherheitsbehörden überprüfen lassen zu wollen.
Die SPD stehe fest an der Seite der „demokratischen Zivilgesellschaft“, sagte Hostert. Sie unter einen „Generalverdacht“ zu stellen, helfe niemandem. Eine weitere Überprüfung für Organisationen von „Demokratie leben!“ ist aus Sicht der SPD nicht notwendig, da die Auswahl der geförderten Projekte und Träger „transparent und fachlich fundiert“ erfolge, wie Hostert behauptete. Kritik kam auch von der Linkspartei. Die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sagte, Prien schwäche damit Initiativen, „die seit Jahren an vorderster Front gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus arbeiten“.
Linke NGOs üben Kritik an Priens Vorstoß
Neben der SPD und Linkspartei kritisierten Organisationen, die von möglichen Kürzungen betroffen wären, die Äußerungen Priens. Mit der Ankündigung entstehe ein „Klima des Mißtrauens“, beschwerte sich etwa der Geschäftsführer der linken Kampagnenorganisation Campact, Felix Kolb. „Um Demokratie vor Ort zu stärken und Rechtsextremen die Stirn zu bieten“, brauche es Rechtssicherheit für „Demokratievereine“, forderte Kolb. „Rückzieher von finanziellen Zusagen“ und einen „Generalverdacht gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen“ lehnt er ab.
Die Geschäftsführerin des „Brandenburger Aktionsbündnisses“, Maica Vierkant, sprach von „unbelegten Pauschalisierungen“ und „Stimmungsmache gegen die demokratische Zivilgesellschaft“. Der Projektleiter der Organisation Ezra, Franz Zobel, verwies darauf, die Kapazitäten seiner Beratungsstelle für angeblich Betroffene rechter Gewalt reichten bereits jetzt kaum aus. Zobel forderte deshalb ein klares Bekenntnis zur Finanzierung solcher Angebote.
Knapp 200 Millionen Euro Steuergeld fließen an „Demokratie leben!“-Projekte
Zuvor hatte Prien der Welt gesagt: „Nur Organisationen, die zweifelsfrei auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, können staatliche Förderung bekommen, alle anderen nicht.“ Dies gelte für Rechts- und Linksextreme, Islamisten „und ganz klar für antisemitische Gruppen“, betonte sie. Prien wolle enger mit Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten, um verdächtige Organisationen des Förderprogramms zu überprüfen.
„Es kann nicht die Lösung sein, Rechtsextremismus über die Förderung linker Aktivisten bekämpfen zu wollen“, monierte die Bildungsministerin. Künftig solle es möglich sein, Fördergelder zurückzuverlangen, sobald die Empfänger „unsere Demokratie“ nicht unterstützen, „sondern dazu beitragen, sie zu untergraben“. Ein Sprecher ihres Hauses bestätigte dem Evangelischen Pressedienst, die Förderrichtlinie werde zurzeit überarbeitet und mit Institutionen wie dem Bundesrechnungshof abgestimmt.
Die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzige Bundesvizevorsitzende der Werteunion, Sylvia Pantel, verlangte von Prien Konsequenz beim „Durchleuchten der geförderten Organisationen“. Bliebe es bei „Ankündigungen, wäre das ein Beleg dafür, daß sie ihr eigenes Haus nicht im Griff hat“, warnte Pantel. Veruntreuung oder unzweckmäßige Verwendung der Gelder sei leicht, zu überprüfen. „Dazu bedarf es jedoch politischer Durchsetzungsfähigkeit.“
Prien hatte der Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP Versäumnisse bei der Mittelvergabe vorgeworfen. „Es war ein Fehler, nicht genauer hinzuschauen“, kritisierte sie. Dadurch seien unter anderem Linksextremisten gefördert worden, die mit antisemitischen Parolen auf sich aufmerksam machten. Für das kommende Jahr ist eine Summe von 191 Millionen Euro für „Demokratie leben!“ eingeplant. Das sind zehn Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr (JF berichtete). (rsz)