BERLIN/MOSKAU. Deutschland hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs mehr als 160.000 Visa an russische Staatsbürger ausgestellt. Im Jahr 2021 – also vor Kriegsbeginn – stellten deutsche Auslandsvertretungen insgesamt 26.000 Dokumente aus, die im gesamten EU-Schengenraum gültig sind. Im ersten Kriegsjahr 2022 stieg die Zahl auf 39.000, im Folgejahr ging sie auf knapp 21.000 zurück. 2024 erhielten mehr als 27.000 Russen EU-Visa, seit Jahresbeginn bis Juli dieses Jahres waren es mehr als 18.000 – somit könnte 2025 einen Rekord seit Kriegsbeginn darstellen, wie die Bild-Zeitung berichtet.
Zusätzlich bewilligten deutsche Behörden seit Kriegsbeginn mehr als 55.000 nationale Visa, mit denen sich Betroffene mehr als 90 Tage lang legal in der Bundesrepublik aufhalten dürfen.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts betonte auf Nachfrage der Bild-Zeitung, die Bundesregierung habe seit Kriegsbeginn „die Sicherheitskriterien für die Prüfung nationaler Visa-Anträge von russischen Staatsbürgern verschärft“. Auch bei der Genehmigung von Schengen-Visa achte die Regierung auf „strikte Maßstäbe zur Einhaltung der EU-Regelungen“.
Andere EU-Staaten kritisieren Deutschland
Scharfe Kritik an dieser Praxis kommt vor allem aus dem EU-Ausland. So sagte eine Sprecherin des estnischen Außenministeriums gegenüber der Bild-Zeitung, Visa für russische Staatsbürger seien „in keiner Weise gerechtfertigt in einer Situation, in der Rußland den Krieg in der Ukraine fortsetzt und gleichzeitig hybride Aktivitäten gegen EU-Staaten verstärkt“.
Der polnische Politiker Szymon Andrzej Szynkowski vel Sęk betonte gegenüber der Boulevardzeitung die abweichende Visa-Vergabepraxis in seinem Land. So werde in Polen „die Vergabe von Visa im Wesentlichen auf streng geprüfte humanitäre Visa“ sowie auf Vergaben für Polnischstämmige beschränkt. Im Ergebnis habe sein Land „nur ein Bruchteil der Anzahl an Visa, die von Deutschland ausgestellt werden“, erteilt. (st)