BERLIN. Bundesbildungsminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich für strengere Maßnahmen gegenüber Schülern ausgesprochen, die mit antisemitischen Äußerungen oder Handlungen auffallen. „Wir haben in Schulen teilweise die Situation, daß jüdische Kinder zu ihrem Schutz aus den Klassen genommen werden müssen. Wir sollten dieses Prinzip umdrehen“, sagte der Politiker dem Tagesspiegel am Donnerstag.
Eltern, die ihre Kinder „mit antisemitischem Zeug“ agitieren, müßten „an die Schulen zitiert werden“. Im Zweifelsfall müßten Kinder, die sich antisemitisch verhalten, gehen.
Özdemir äußerte zudem Sorge über Umfragen, die „massive Wissenslücken“ der jüngeren Generation im Hinblick auf die Geschichte des Holocausts belegten. „Es darf nicht sein, daß mehr als jeder zehnte Deutsche im Alter zwischen 18 und 29 Jahren den Begriff Holocaust noch nie gehört hat, und daß 40 Prozent nicht wissen, daß sechs Millionen Juden während des Holocausts getötet wurden“, äußerte der Grünen-Politiker in Anspielung auf eine Untersuchung der Jewish Claims Conference.
Özdemir sorgt sich um Ramadan-Druck
Gerade in „zunehmend heterogen zusammengesetzten Klassenzimmern“ müsse das Wissen um die Shoah „und das daraus folgende Handeln immer neu erklärt und vermittelt werden“. Kein Mensch komme als Antisemit auf die Welt, sondern werde dazu erzogen.
Weitere Sorge äußerte der Minister über Berichte, daß Jugendliche an Schulen während des muslimischen Fastenmonats Ramadan unter Druck gesetzt würden, sich am Fasten zu beteiligen. „Bei uns in Deutschland leben Kinder, deren Eltern aus Ländern wie der Türkei geflohen sind, weil sie sich nicht dem Diktat einer fundamentalistischen Auslegung des Islams unterwerfen wollten.“ Es gebe „schließlich auch die negative Religionsfreiheit, also die Freiheit von Religion“, betonte Özdemir.
Deutschland hat „ein massives Problem“
Jedermann müsse „mit der Kippa sicher durch Neukölln kommen, Frauen müssen sich im Minirock überall sicher bewegen können und schwule oder lesbische Pärchen überall Händchen haltend laufen können“, betonte der Politiker. Solange dies nicht der Fall sei, habe Deutschland „ein massives Problem“.
Bereits in der Vergangenheit hatte Özdemir, selbst ein Kind türkischer Gastarbeiter, gefordert, Gewalttaten, sexuelle Übergriffe sowie „patriarchale Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern“ stärker zu thematisieren. Seine eigene Tochter werde in Berlin regelmäßig von Migranten belästigt. (lb)