HANNOVER. Anne Spiegel hat nach ihrem unrühmlichen Abgang aus der Bundespolitik (die JF berichtete) eine neue Aufgabe gefunden. Die frühere Bundesfamilienministerin (Grüne) soll ab 2026 das Dezernat für Soziales, Familie und Jugend in der Region Hannover übernehmen – eine Personalie, die bundesweit für Diskussionen sorgt.
Denn Spiegels Name ist bis heute eng mit der Ahrtal-Flutkatastrophe verbunden, bei der im Jahr 2021 135 Menschen starben.
Damals war sie Umweltministerin in Rheinland-Pfalz und mitverantwortlich für den Katastrophenschutz. Zehn Tage nach der Flut trat sie mit ihrer Familie einen vierwöchigen Urlaub an – ein Fehltritt, der schließlich zu ihrem Rücktritt als Bundesfamilienministerin führte. Nun also das politische Comeback – ausgerechnet im größten Landkreis Deutschlands mit 1,2 Millionen Einwohnern.
Kritik an Versorgungsposten für Spiegel
Der Vorschlag, Spiegel zur Dezernentin mit der Besoldungsstufe B7 (rund 11.600 Euro monatlich) zu machen, sorgt selbst innerhalb der Grünen für Kopfschütteln. „Wie kann man sich so eine vorbelastete Personalie ausdenken?“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Parteivertreter. Auch SPD-Regionspräsident Steffen Krach, der Spiegel nominierte, steht in der Kritik. Nach Informationen der FAZ hatten sich SPD, Grüne und CDU bereits vor der offiziellen Ausschreibung parteiintern auf die Besetzung der Dezernentenposten verständigt – ein politisch üblicher, aber rechtlich zweifelhafter Vorgang.
Kritiker werten die Nominierung als klassischen Versorgungsposten. Besonders heikel: In knapp einem Jahr stehen in Niedersachsen Kommunalwahlen an. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der bundesweit als wichtigster Kommunalpolitiker seiner Partei gilt, muß angesichts schlechter Umfragewerte jede öffentliche Kontroverse vermeiden.
Nach ihrem Rücktritt hatte sich Spiegel weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sie arbeitet seit 2024 für die Jugendhilfeorganisation „Krisenchat“, bei der junge Menschen in schwierigen Lebenslagen Unterstützung finden. Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erklärte sie, sie sehe in der neuen Aufgabe eine „Chance, Verantwortung zu übernehmen“.
Doch schon zuvor hatte sie offenbar über eine Rückkehr in die Politik nachgedacht. Im Frühjahr 2024 tauchte sie auf einem Grünen-Landesparteitag in Rheinland-Pfalz auf – Beobachter deuteten das als Testballon für eine mögliche Bundestagskandidatur. Angebote der Heinrich-Böll-Stiftung und der UN-Organisation „UN Women“ soll sie abgelehnt haben.
Die Flut als bleibender Schatten
Die Schatten der Ahrtal-Katastrophe verfolgen Spiegel bis heute. Der Untersuchungsausschuß des rheinland-pfälzischen Landtags hatte ihr Führungsversagen attestiert: Trotz klarer Warnungen ihres Ministeriums habe sie keine ausreichenden Schutzmaßnahmen eingeleitet. In internen Chats sprach sie über das „Blamegame“ zwischen den Koalitionspartnern – während Menschen in der Region um ihr Leben kämpften. (rr)