BERLIN. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Vorschlag abgeschmettert, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen. Union und SPD hätten diese Maßnahme in den Koalitionsverhandlungen klar ausgeschlossen, sagte er dem Sender ntv.
Anlaß für seinen Ärger ist ein Vorstoß von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die von den Deutschen erwartet, länger und mehr zu arbeiten. „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muß steigen”, betonte sie am Wochenende gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, daß wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.“
„Das ist ein Schlag ins Gesicht“
Klingbeil hat für diese Erwartungshaltung an die deutschen Beschäftigten kein Verständnis. „Sowas sagt sich ganz einfach, wenn man irgendwie im schönen Sessel in Berlin sitzt”, ärgerte sich der Sozialdemokrat. „Aber man sollte mal hinausgehen zu den Menschen ins Land, die als Dachdecker auf dem Dach stehen, die als Pflegekräfte arbeiten, die als Erzieherin arbeiten und sich wirklich kaputt machen und die schon Schwierigkeiten haben, bis 67 zu kommen.” Von diesen Menschen zu verlangen, nun noch mehr zu arbeiten, sei „ein Schlag ins Gesicht“.
Eine große Finanzierungslücke, wenig (keine?) Sparanstrengungen, keine Reformen, um mittelfristig die Ausgaben senken….dafür Pläne, auch noch die Schuldenbremse weiter zu lockern.https://t.co/GWDmA944Co
— Veronika Grimm (@GrimmVeronika) July 29, 2025
Rückendeckung bekommt Reiche hingegen von der Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Sie sieht einen hohen Reformbedarf bei der gesetzlichen Rentenversicherung. „Deswegen ist es der Wirtschaftsministerin auch hoch anzurechnen, daß sie diese Vorschläge macht, obwohl es politisch so kontrovers ist – trotz Angst vor der Wut des Wählers“, unterstrich sie gegenüber der Welt. „Wir brauchen wirklich wirksame, kostendämpfende Maßnahmen, die einschneidend sein müssen.“
Wirtschaftsweise zerpflückt Klingsbeils Haushaltsplan
Ein schlechtes Zeugnis stellt Grimm derweil Klingbeils Haushaltsplan aus. Dieser lasse keine ernsthaften Sparanstrengungen erkennen. Vieles laufe über schuldenfinanzierte Sondertöpfe. „Dieser Verschiebebahnhof schiebt Ausgaben, die eigentlich im Haushalt vorgesehen waren, in die Verschuldungsspielräume. Dann hat man Luft für Wahlgeschenke.“
Unterdessen hat Klingbeil auch mit einstürzenden Umfragewerten zu kämpfen. Auf der aktuellen Rangliste der beliebtesten deutschen Politiker rutscht der Vizekanzler laut einer Erhebung im Auftrag der Bild-Zeitung von Platz vier auf Platz acht ab. An der Spitze steht Verteidigungsminister Pistorius (SPD). (zit)