BERLIN. Syrien hat Zehntausende Anhänger des Islamischen Staates (IS) in Gefängnissen und Lagern inhaftiert – nicht wenige davon mit deutschem Paß. Nach dem Umsturz des Assad-Regimes ist ihre Zukunft ungewisser denn je. Angehörige fordern von Deutschland Unterstützung. Die Behörden zögern.
Vor dem Berliner Auswärtigen Amt protestiert das Ehepaar Pleil aus Baden-Württemberg mit einem klaren Appell: „Holen Sie endlich unsere Angehörigen aus Syrien zurück!“ Ihr Sohn Dirk sitzt seit 2018 als ehemaliges IS-Mitglied in einem kurdisch kontrollierten Gefängnis in Syrien ein, berichten sie der Welt. „Das Auswärtige Amt verweist auf fehlende diplomatische Beziehungen, doch der Bundesnachrichtendienst war regelmäßig vor Ort, um Gefangene zu verhören“, kritisiert Werner Pleil, der nachlegt: „Es kann nicht sein, daß Deutschland seine Bürger einfach in fremden Gefängnissen zurückläßt.“
10.000 IS-Gefangene
In den Gefängnissen Nordostsyriens sitzen rund 10.000 IS-Kämpfer. Die Bundesregierung schätzt, daß darunter 20 bis 50 deutsche Staatsbürger sind. Hinzu kommen Tausende Frauen und Kinder in bewachten Lagern, darunter eine zweistellige Zahl mit deutschem Bezug. Die neue islamistische Übergangsregierung in Damaskus hat erklärt, die Verantwortung für diese Gefangenen übernehmen zu wollen. Auch die Türkei signalisiert Interesse, Kontrolle über einige Einrichtungen zu gewinnen. Doch beide Optionen sind umstritten. Die Regierung, mit der radikalislamischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) verbunden, genießt international wenig Vertrauen. Auch die Türkei wird wegen ihrer langjährigen Verbindungen zum IS kritisch gesehen.
Sicherheitsbedenken dominieren
Das Auswärtige Amt hält an seiner Linie fest: Deutsche Männer sollen vorerst nicht zurückgeholt werden. Sicherheitsbedenken stehen im Vordergrund. Die Bundesregierung fürchtet, daß rückgeführte IS-Anhänger in deutschen Gefängnissen andere radikalisieren oder nach ihrer Haftstrafe erneut Anschläge planen könnten. Bei Frauen und Kindern zeigt man sich laut Bericht indes handlungsbereit, wenn auch vorsichtig. (rr)