BERLIN. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, hat die künftige Bundesregierung aufgefordert, für eine rasche und eigenständige Verteidigungsfähigkeit des Landes zu sorgen. Dazu gehöre ein schneller Aufbau der Infrastruktur, eine bessere Materialbeschaffung und „das Thema Wehrpflicht“, sagte Wüstner am Dienstag.
Grund für diese „Notlage“ sei die aktuelle Bedrohungslage sowie das „Verhalten des US-Präsidenten Trump“. Es müsse jetzt „ein Ruck durch Deutschland gehen“. Von den politischen Zielsetzungen sei Deutschland noch weit entfernt.
Im Personalbereich gebe es „enorme Probleme“. Die Armee sei überaltert und das Personal schrumpfe. In allen Teilstreitkräften gebe es Personalbedarf, alleine beim Heer sei es in den kommenden Jahren erforderlich, daß etwa 40.000 Soldaten gewonnen würden. Für die gesamte Bundeswehr sei nach Angaben des Generalinspekteurs Carsten Breuer ein Zuwachs von 460.000 Soldaten notwendig.
Wüstner fordert attraktivere Laufbahnmodelle
Für diese „enormen Zahlen“ sei eine Wehrpflicht notwendig, betonte Wüstner. Er gehe davon aus, daß sich die kommende Regierung noch im laufenden Jahr mit diesem Thema auseinandersetzen werde. Neben einem aktiven Heer brauche es zudem eine Reserve. „Es geht nicht nur darum, daß wir uns auf einen Verteidigungsfall vorbereiten müssen, der vielleicht nur drei Monate dauert, sondern vielleicht auch drei Jahre, wie wir es in der Ukraine sehen.“
Um den Dienst in den Streitkräften attraktiver zu machen, brauche es „ein eigenes Besoldungsrecht, andere Laufbahnmodelle, andere Perspektiven, um auch die Profis, die Spezialisten zu gewinnen und binden zu können“. Auf diese Weise könne man auch „die Profis und Spezialisten“ an die Armee binden.
Högl bevorzugt Pistorius-Wehrpflichtmodell
Die Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Eva Högl (SPD), stellte am Dienstag ihren Jahresbericht vor und sprach dabei ebenfalls von massivem Personalmangel. Die Bundeswehr sei ihrem Ziel, bis 2031 eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu erreichen, bisher nicht nähergekommen.
Högl sprach sich ebenfalls für eine Wehrpflicht aus – nach dem Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Demnach müßten ab 2026 alle Männer im Alter von 18 und älter einen digitalen Fragebogen ausfüllen und dabei über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst Auskunft geben.
Bereits im Januar hatte Wüstner in einem Interview mit der Welt gemahnt, es passiere „zu wenig und zu langsam“. Politiker hätten ihm im Februar 2022, kurz nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs, erklärt, ihnen sei nicht bewußt gewesen, wie schlecht die Bundeswehr ausgerüstet sei. So etwas wolle er nicht noch einmal erleben, betonte der Verbandschef. (lb)