BERLIN/KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch die Verhandlungen über die Organklagen der AfD zu den Vorsitzen der Bundestagsausschüsse aufgenommen. Bisher, auch zweieinhalb Jahre nach der Bundestagswahl, verhindern die übrigen Fraktionen, daß die AfD die Gremien für Inneres, Gesundheit und Entwicklung führen darf.
Die Partei beruft sich dabei auf die Vereinbarung im Ältestenrat, wonach die Fraktionen ihrem jeweiligen Stärkeverhältnis entsprechend die Vorsitze stellen. Das ist demokratische Tradition seit Gründung der Bundesrepublik, damit auch die Opposition bei der parlamentarischen Arbeit mitwirken kann. Bisher wurden die Kandidaten der Fraktionen per Akklamation ernannt.
Gegen diesen Brauch ließen die anderen Fraktionen diesmal geheime Abstimmungen durchführen. Während alle anderen Parteien ihre Kandidaten durchbrachten, erhielten die AfD-Abgeordneten jeweils keine Mehrheit.
Die Aussage der Richterin
Die Richterin des Zweiten Senats, Christine Langenfeld, übernahm zu Beginn der Verhandlung diese Argumentation und sprach von einer „langen Tradition der proportionalen Beteiligung aller Fraktionen“, wie die Welt sie zitiert. Das grundgesetzlich geschützte freie Mandat vermittle den Abgeordneten das Recht auf gleichberechtigte Mitwirkung auf parlamentarische Arbeit. Offen sei bislang aber, ob auch ein Recht der Fraktionen auf proportionale Besetzung der Ausschußvorsitze bestehe.
Der AfD-Abgeordnete Kay-Uwe Ziegler, im Januar wegen Subventionsbetrug zu einer Geldstrafe verurteilt, hatte sich zuletzt im Gesundheitsausschuß auf den Platz des Vorsitzenden gesetzt und damit gegen die Ausgrenzung protestiert. Die anderen Fraktionen, allen voran Union und SPD argumentierten in Karlsruhe, die AfD habe keine wählbaren Kandidaten vorgeschlagen. Allerdings bewarben sich inzwischen alle fünf Abgeordneten um den Vorsitz – alle wurden abgelehnt.
Durfte ein AfD-Politiker abgewählt werden?
Im zweiten Organklageverfahren geht es um die Abwahl des AfD-Politikers Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode. In der Bundestag-Geschäftsordnung ist ein solcher Vorgang nicht vorgesehen. Daher muß das Bundesverfassungsgericht auch hier für Klarheit sorgen.
Die AfD sieht sich in ihrem Recht auf Gleichbehandlung als Fraktion, im Recht auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestags sowie im Recht auf effektive Opposition verletzt. Ob die Richter das ebenso sehen, wird sich erst in mehreren Monaten zeigen. Dann will das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung verkünden. (fh)