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„Aushöhlung des Rechtsstaates“: Verfassungsschützer packt über Mißstände im Dienst aus

„Aushöhlung des Rechtsstaates“: Verfassungsschützer packt über Mißstände im Dienst aus

„Aushöhlung des Rechtsstaates“: Verfassungsschützer packt über Mißstände im Dienst aus

Der Verfassungsschutz soll die deutsche Demokratie schützen, doch tut er das? Ein Mitarbeiter packt über den Dienst aus. Der Verfassungsschützer suft die Behörde gefährlicher als „irgendein Skinhead oder Autonomer“ ein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Chorweiler. Zwischen Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und der Partei AfD schwelt eine Art Dauerfehde. Immer wieder erklärt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz die Partei zur Gefahr für die Demokratie. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler: Was versteckt sich hinter den eisernen Toren? Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
Der Verfassungsschutz soll die deutsche Demokratie schützen, doch tut er das? Ein Mitarbeiter packt über den Dienst aus. Der Verfassungsschützer suft die Behörde gefährlicher als „irgendein Skinhead oder Autonomer“ ein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Chorweiler. Zwischen Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und der Partei AfD schwelt eine Art Dauerfehde. Immer wieder erklärt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz die Partei zur Gefahr für die Demokratie. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler: Was versteckt sich hinter den eisernen Toren? Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler: Was versteckt sich hinter den eisernen Toren? Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
„Aushöhlung des Rechtsstaates“
 

Verfassungsschützer packt über Mißstände im Dienst aus

Der Verfassungsschutz soll die deutsche Demokratie schützen, doch tut er das? Ein Mitarbeiter packt über den Dienst aus. Die Behörde höhle den Rechtsstaat aus und werde gezielt eingesetzt um Regierungskritiker einzuschüchtern.
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DRESDEN. Ein Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes, der anonym als „Gregor S.“ auftritt, hat im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung scharfe Kritik an der Arbeit des Dienstes geäußert. Weil die Behörde es „mit ernstzunehmenden Gegnern wie wirklich gewaltbereiten Links- oder Rechtsterroristen oder radikalen und teils kriegserfahrenen Islamisten nicht aufnehmen kann, kümmert er sich zunehmend um Leute, die eigentlich gar kein Fall für den Verfassungsschutz sind. Und in der Vergangenheit auch nicht waren“.

So sei die Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ geschaffen worden, durch die legale Kritik plötzlich als verdächtig gelten könne. Der Verfassungsschützer bemängelte, daß durch eine „Umdeutung und Pervertierung der Sprache“ Menschen zum Verdachtsfall würden, die früher als unproblematisch galten. „Was gestern legale Kritik war, kann heute ein Grund sein, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten“, erklärte S.

Verfassungsschützer: In der Realität ist der Dienst nicht neutral

Der Dienst stelle umfassende Nachforschungen an. „Wir durchleuchten das Umfeld, den Arbeitgeber, die Geliebte, die Kumpels, die zum Grillen kommen, also eigentlich alles, was wir finden können“, berichtete er. Dies betreffe inzwischen auch Menschen, die lediglich die Grünen nicht mögen oder staatskritische Plakate aufhängen.

Derzeit sieht S. eine große Gefahr, daß der Verfassungsschutz für politische Zwecke instrumentalisiert werde. „Es gibt Informationen, die sollen aufgenommen werden, die werden dann auch weiterverarbeitet und daraus erfolgen dann auch weitere Maßnahmen. Und es gibt Informationen, die sind nicht erwünscht, die sind unbequem. Und die werden dann ignoriert“, sagte er der Schwäbischen Zeitung. Das seien vor allem „Informationen mit Bezug auf extremistische Tendenzen oder Entwicklungen, auf radikale Strömungen innerhalb etablierter Parteien. Die möchte man nicht sehen und nicht hören.“

Auf dem Papier sind die Verfassungsschutzämter parteipolitisch neutral. „In der Realität ist es aber nun mal so, daß diese Behörde eine Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums ist“, führte S. weiter aus. In der Praxis gebe es ein „sehr enges Geflecht an persönlichen Kennverhältnissen. Und natürlich wird in so einer Melange auch hinter verschlossenen Türen gesprochen und werden Absprachen getroffen. So funktioniert das System nun mal.“ Konkret schütze der Verfassungsschutz „die SPD, die Grünen und die Linke“.

Verfassungsschutz sei „eine Herrschaft der Schlechtesten“

Nachdem er interne Kritik an Arbeitsbedingungen geäußert habe, sei S. selbst zum Opfer von Repressalien geworden. Seine Anwältin Christiane Meusel berichtete gegenüber der Schwäbischen Zeitung: „Zunächst bekam mein Mandant eine aus unserer Sicht völlig ungerechtfertigte miserable Dienstbeurteilung. Dann wurde ihm vorgeworfen, er habe Fehler bei der Arbeit begangen und in diesem Zusammenhang entzog man ihm schließlich die Sicherheitsermächtigung und eröffnete ein Disziplinarverfahren. Ohne Sicherheitsermächtigung darf mein Mandant die Liegenschaft nicht betreten.“ Meusel betonte, daß die Vorwürfe haltlos seien und ihr Mandant als „Nestbeschmutzer“ kaltgestellt werden solle.

Ihm wurde angeboten, entweder nach Görlitz versetzt zu werden oder mit 36 Jahren in Rente zu gehen. S. lehnte dies ab. Er will nun eine öffentliche Debatte über die „verkrusteten Strukturen“ und die Dysfunktionalität des Verfassungsschutzes anstoßen. Der Dienst entwickle sich zu einer „Kakistokratie, also einer Herrschaft der Schlechtesten“.

Zeitgleich finde eine „Pervertierung von Werten“ statt. S. forderte, daß die Verantwortlichen im System zur Rechenschaft gezogen werden sollten und plädierte für einen kritischeren Diskurs über die Entscheidungsträger, sowohl intern als auch öffentlich. Die derzeitige Situation „höhlt den Rechtsstaat sehr viel stärker aus, als es irgendein Skinhead oder irgendein Autonomer jemals schaffen könnten“.

„Das Ausland lacht über uns“

S. arbeitete zehn Jahre für den sächsischen Verfassungsschutz. Zuvor sammelte er Erfahrungen beim hessischen Verfassungsschutz, absolvierte ein nachrichtendienstliches Studium und diente in der Bundeswehr. In Sachsen war er „Vertrauensperson-Führer“, wodurch er viel Zeit im Feld verbrachte. Er faßt seine Tätigkeit so zusammen: „Ich war also ein nachrichtendienstlich operativer Mitarbeiter, der den Auftrag hat, menschliche Quellen zu führen und gemäß Auftragslage Informationen über extremistische Bestrebungen zu beschaffen.“

Gegenüber der Schwäbischen Zeitung kritisierte er zudem die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Mitarbeiter und Informanten würden keine unregistrierten SIM-Karten verwenden, wodurch immer nachvollziehbar ist, von wem sie ursprünglich stammt. Ebenso seien die Einsatzfahrzeuge für verdeckte Ermittlungen „offiziell auf das Innenministerium des Landes angemeldet“. Kombiniert mit einer erdrückenden Last an Bürokratie, ergebe sich ein „Arbeitsumfeld, das völlig unprofessionell ist und in dem der Dienst seine Aufgabe nicht erfüllen kann“. Es sei „kein Geheimnis, daß das Ausland über unseren Dienst lacht“. (sv)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler: Was versteckt sich hinter den eisernen Toren? Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
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