BERLIN. Die Strompreise explodieren, weil Wind- und Solarenergie keinen Strom liefern. Am Donnerstag kostete die Megawattstunde an der Börse 936 Euro – so viel wie noch nie. Und es kommt zu Verwerfungen mit skandinavischen Ländern, deren Kosten ebenfalls steigen und die die deutsche Energiewende als „beschissen“ kritisieren. Denn es ist dunkel und windstill in Deutschland. Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) eingeräumt, es gebe eine „Dunkelflaute“.
Das ist deswegen bemerkenswert, weil der Begriff von den Regierenden bisher im Bereich der Verschwörungsideologie verortet wird. Wörtlich schreibt das Habeck-Ministerium am Freitag auf X: „Wir haben es derzeit mit einer sogenannten Dunkelflaute zu tun.“ Und weiter: „Die hohen Preise in einzelnen wenigen Stunden ergeben sich durch ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren.“ Es gebe eine „unübliche Windflaute“.
Aber das Ministerium verbreitete auch Hoffnung: „Die gute Nachricht ist: Zum Wochenende entspannt sich die Lage, da die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wieder zunehmen wird.“ Zwar verließen die Strompreise ihr Rekordniveau. Aber hoch blieben sie trotzdem.
(2/8) Wir haben es derzeit mit einer sogenannten #Dunkelflaute zu tun. Die hohen Preise in einzelnen wenigen Stunden ergeben sich durch ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren:
— Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (@BMWK) December 12, 2024
„Dunkelflaute“ als Verschwörungsideologie
Mit ihrem Post räumte die Bundesregierung etwas ein, das es eigentlich nur in den Köpfen von Verschwörungstheoretikern und AfD-Politikern geben konnte. Vor noch nicht einmal einem Jahr, am 30. Dezember 2023, veröffentlichte die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) eine „Diskursgeschichte“ über den Blackout.
In dem langen Text heißt es: „In den jeweiligen Milieus, die häufig skeptisch gegenüber dem Klimawandel sind und die Energiewende grundsätzlich ablehnen, wird Strom aus Wind und Sonne häufig als ‚Zappelstrom‘ oder ‚Flatterstrom‘ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Konzept der ‚Dunkelflaute‘ entwickelt, das auf eine geringe Stromeinspeisung verweist, wenn Dunkelheit und Windstille gleichzeitig auftreten.“
„Netzstabilität weiter zugenommen“
Richtig sei aber vielmehr: Trotz eines wachsenden Anteils von Erneuerbaren Energien auf 52 Prozent, so schreibt die Behörde, „hat die Netzstabilität weiter zugenommen“. Diese Behauptung hatte ein Verfallsdatum von noch nicht einmal zwölf Monaten, wie jetzt das Wirtschaftsministerium einräumt.
Aber die von Thomas Krüger (SPD) geführte Bundeszentrale griff noch tiefer in die Kiste der Totschlagargumente: „Die Erzählung des ‚großen Stromausfalls‘ deckt sich weitgehend mit anderen Verschwörungsmythen sowie technischen und sozialen Dystopien. Die AfD positioniert sich gegen die ‚grüne Ideologie‘ als politische Kraft.“
Es gebe überhaupt keinen Grund, ängstlich zu sein, schreibt die BPB. Denn: „Im größten Blackout Nordamerikas im August 2003 wurden in New York auch Partys gefeiert. Restaurants hätten ihre Lebensmittel verschenkt. Und: „Menschen trafen sich in Bars und feierten ganze Blockpartys.“ (fh)