BERLIN. Die Polizei hat in vier Bundesländern Razzien gegen Mitglieder der Terrororganisation Hamas sowie deren Vorfeldvereinigung Samidoun durchgeführt. Der Einsatz soll Beweismittel zur weiteren Aufklärung der vor drei Wochen vom Bundesinnenministerium mit einem Betätigungsverbot belegten islamistischen Gruppierungen sicherstellen. Am Einsatz beteiligten sich 350 Beamte, darunter der Staatsschutz, Bereitschaftspolizisten sowie Mitglieder der Spezialeinsatzkommandos. Mit Ergebnissen ist nicht vor den Nachmittagsstunden zu rechnen.
Insgesamt durchsuchte die Polizei am Donnerstagmorgen 15 Objekte. Elf davon befinden sich in Berlin. Die meisten Einsatzorte in der Stadt liegen im zentral gelegenen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sowie in Neukölln und Treptow-Köpenick im Südosten. Die Mehrheit der Liegenschaften soll Hamas-Anhängern gehören, vier Objekte werden Samidoun zugeordnet, wie die Senatsverwaltung für Inneres gegenüber der B.Z. bestätigte.
Weitere zwei Durchsuchungen gab es in Nordrhein-Westfalen, darunter gegen den Vorsitzenden des Islamischen Kulturvereins Bochum (IKV), Ramy G. Dieser soll über den Verein „Palästinensische Gemeinschaft Deutschland“ die Hamas unterstützt haben. Die IKV wird aufgrund von Verbindungen zu Salafisten sowie zur Muslimbruderschaft bereits seit März 2019 vom Landesverfassungsschutz beobachtet. Zu weiteren Einsätzen kam es im niedersächsischen Osnabrück sowie im Landkreis Stormarn in Schleswig-Holstein.
Spätes Eingreifen gegen Hamas in der Kritik
Ein beteiligter Ermittler äußerte Skepsis, ob die Aktion erfolgreich sein werde. „Seit dem Verbot ist zu viel Zeit vergangen, sodaß wahrscheinlich nicht mit zielführenden Erkenntnissen zu rechnen ist“, beklagte der anonyme Polizeibeamte im Gespräch mit der Bild-Zeitung. Die Razzien hätten vor dem Verbot durchgeführt werden sollen, damit die als extremistisch eingestuften Vereinigungen keine Zeit zur Spurenverwischung haben, konstatierte er: „Das Überraschungsmoment ist dahin.“
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das Verbot der palästinensischen Gruppierungen in einer Regierungserklärung kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel angekündigt. Erst Wochen später wurde dies durch das Bundesinnenministerium umgesetzt. Politiker hatten das Vorgehen von Kanzler und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) daraufhin kritisiert. So zeigten sich mehrere Bundesländer über das Verbot überrascht. Beispielsweise in Hessen sollen die Sicherheitsbehörden darüber aus der Zeitung erfahren haben. Auch aus den Reihen der Koalitionsparteien gab es deutliche Worte. „Daß das Legislativorgan Deutscher Bundestag die Innenministerin auffordern muß, in Sachen Samidoun-Verbot ihre Pflicht zu tun, wäre schon eine Nachrichtenmeldung wert gewesen“, hatte der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP), im Oktober bemängelt.
Auch Reichsbürger von Razzien betroffen
Zur gleichen Zeit wie der Einsatz gegen die Hamas beteiligten sich 280 Polizisten an Razzien gegen sogenannte Reichsbürger in acht Bundesländern. Die Sicherheitsbehörden durchsuchten 21 Objekte in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Den insgesamt 20 Verdächtigen wird vorgeworfen, durch eine „massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden durch Telefon und E-Mail“ deren Kommunikationswege zu blockieren und „die Bundesrepublik Deutschland sowie ihre staatlichen Einrichtungen zu destabilisieren“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft München mit.
Zudem seien die Behörden Anfang 2021 auf Telegram-Kanäle aufmerksam geworden, in denen „reichsbürgertypische Thesen und Verschwörungstheorien verbreitet“ worden seien. Darin sollen die Verdächtigen „angeblichen Opfern staatlichen Handelns ‚Hilfe‘ angeboten“ und die Kontaktaufnahmen organisiert haben. Auch zu Morddrohungen soll es gekommen sein. (kuk)