BERLIN. Man kann den Kopf über dieses Wahlergebnis schütteln. Weniger als ein Viertel der Berliner ist mit der Arbeit des rot-rot-grünen Senats zufrieden. Nur 27 Prozent wünschten sich eine Fortsetzung dieser Koalition. Nichtsdestotrotz wählten die Hauptstädter sie wieder. Denn eine CDU-geführte Koalition wollten noch weniger. Der Absturz der Hauptstadt und der Umbau zur grünen Spießer-Dorfidylle können weiter gehen.
Daß die CDU fast zehn Punkte hinzugewonnen und den ersten Platz geholt hat, macht sie zum Gewinner, aber nicht zum Wahlsieger. Auch wenn sie trotz ihres beachtlichen Vorsprungs von rund neun Punkten auf SPD und Grüne noch so sehr zetern wird, richtig ist: Die meisten haben für eine Fortsetzung der Chaosregierung gestimmt. Zwar verfügt das Linksbündnis nach den Hochrechnungen nicht mehr über die absolute Mehrheit der Stimmen und ist aufgrund der Stimmenverluste aller drei am Senat beteiligten Parteien tatsächlich eine „Koalition der Verlierer“. Aber: Im Abgeordnetenhaus haben diese deutlich mehr Sitze als die Oppositionsparteien.
Berlin-Wahl: Rot-Rot-Grün wurde nicht abgewählt
Es gibt keinen Grund, warum sie diesen Umstand nicht nutzen sollten. Das ist nicht „undemokratisch“, sondern demokratischer Brauch. Rot-Rot-Grün wurde nicht abgewählt. Von einer „Denkzettelwahl“ zu reden, ist auch gewagt. Dies würde bedeuten, die Senatsparteien nähmen sich das unter dem Strich schlechte Wahlergebnis zu Herzen und würden versuchen, etwas zu ändern. Doch das wird nicht geschehen.
Die CDU, der nur 31 Prozent zutrauten, es besser zu machen als die Versager-Koalition, hatte von Anfang an keine Machtoption. Und das wußten die Wähler. Wer sich nur irgendwie an die SPD oder Grüne anhängen will, um ins Rote Rathaus zu gelangen, ist nicht nur ein politischer Phantast, sondern steht nicht für einen Politikwechsel. Die niedrige Wahlbeteiligung, die im Vergleich zu 2021 um zwölf Punkte absackte, ist auch ein Ausdruck der fehlenden Perspektive, die die Union den Berlinern geboten hat.
CDU erzeugte keine Wechselstimmung
Daß es weder zu einer Alleinregierung noch zu einer Koalition mit der FDP, die nun aus dem Abgeordnetenhaus fliegt, reichen würde, war allen klar. So konnte die CDU niemals eine wirkliche Wechselstimmung erzeugen. Viele Unzufriedene – und davon gibt es in Berlin laut Umfragen eben mehr als genug – blieben zu Hause. Die CDU hat es nicht geschafft, diese Wahlberechtigten zu mobilisieren.
Wenn die Partei so weiter macht und stets ein beträchtliches Wählerpotential vorab komplett von der Regierungsbildung ausschließt, bleibt ihr nichts übrig, als es sich in ihrer rot-rot-grünen Geiselhaft – nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern und im Bund – gemütlich zu machen. Anstatt nun auf einen tatsächlich nicht erteilten Regierungsauftrag zu pochen, sollte sich die Union fragen, warum sie nicht einmal dann ein linkes Bündnis ablösen kann, wenn dies eine so desaströse Bilanz vorweist wie der Berliner Senat. Das würde allerdings einen Strategiewechsel bedeuten. Doch der ist nicht in Sicht.
Fünfte Hochrechnung Abgeordnetenhaus-Wahl (19:58 Uhr)
CDU 27,9%
SPD 18,6%
Grüne 18,6%
Linke 12,2%
AfD 9,1%
FDP 4,6%Andere 9,0%#aghw #aghw23 #Berlinwahl #Berlinwahl2023 pic.twitter.com/LLO8h9o8Mz
— rbb|24 (@rbb24) February 12, 2023