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Urteil: Linksextremisten um Lina E. zu Haftstrafen verurteilt

Urteil: Linksextremisten um Lina E. zu Haftstrafen verurteilt

Urteil: Linksextremisten um Lina E. zu Haftstrafen verurteilt

Revision eingelegt: Lina E. versteckt sich vor dem Prozeß hinter einem Aktenordner.
Revision eingelegt: Lina E. versteckt sich vor dem Prozeß hinter einem Aktenordner.
Revision eingelegt: Lina E. versteckt sich vor dem Prozeß hinter einem Aktenordner. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert
Urteil
 

Linksextremisten um Lina E. zu Haftstrafen verurteilt

Die Urteile im größten Prozeß gegen gewalttätige Linksextremisten seit Jahren sind gefallen: Lina E. und ihre Komplizen werden zu Haftstrafen verurteilt. Das Gericht bleibt unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Brutalität der Angriffe schockiert.
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Am Ende ging alles ganz schnell: Das Oberlandesgericht Dresden verurteilt die Linksextremistin Lina E. und drei weitere Komplizen zu Haftstrafen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung und zahlreichen Angriffen auf vermeintliche Rechtsextremisten. Lina E. muß dabei fünf Jahren und drei Monate ins Gefängnis. Ihre drei Mitangeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit blieb das Gericht weit unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die acht Jahre Haft gefordert hatte.

Das Urteil erging am 99. Tag des Prozesses. Ein langwieriges Verfahren, das aufgrund nur eines Zeugens zum Abschluß kam. Ein Rückblick und ein Ausblick:

Der Beginn des Prozesses

Am 8. September 2021 beginnt das Verfahren gegen die Studentin Lina E. und drei weitere Beschuldigte. Die Anklage lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung auf Grundlage des Paragraphen 129 des Strafgesetzbuches. Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, daß Lina E. und drei weitere Angeklagte, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung seien. Zwischen 2018 und 2020 sollen sie und weitere Mitglieder der Bande Angriffe auf Rechtsextremisten geplant und durchgeführt haben. Rädelsführerin seien Lina E. und ihr Verlobter Johann G., der allerdings untergetaucht ist.

Als Motiv nimmt die Staatsanwaltschaft an, daß die Bande Druck auf Rechtsextremisten ausüben wollte. Durch ihre Überfälle sollten Rechtsextremisten, oder Menschen, die sie dafür hielten, mindestens verletzt werden. Hans Schlüter-Staats, der Vorsitzende Richter, sprach von „schwerwiegenden Körperverletzungsdelikten“. Sinn der Angriffe: Durch ein immerwährendes Szenario der Brutalität sollten Angst und Unsicherheit erzeugt werden. Diese Angst sollte dazu führen, daß Rechtsextreme ihre Aktionen aufgeben.

Die Opfer

2. Oktober 2018: Angriff auf den damaligen fraktionslosen Stadtrat Enrico B. in Leipzig. Das frühere NPD-Mitglied wird schwer verletzt, Bruch der Kniescheibe, Fußtritte gegen den Kopf.

30. Oktober 2018: Der Rechtsextremist Cederic S. wird in Wurzen von Vermummten überfallen. Sie schlagen mit Totschlägern auf ihn ein. Es kommt zu mehreren Brüchen der Wirbelsäule, zeitweilig besteht Lebensgefahr.

8. Januar 2019: Der Kanalarbeiter Tobias N. arbeitet gemeinsam mit Kollegen in der Bornaischen Straße in Leipzig Connewitz. Plötzlich schlagen mehrere Vermummte auf ihn ein, verletzen ihn lebensgefährlich. Unter den Angreifern soll eine Frau sein. Die Schläger brüllen: „Das ist ein Nazi, der hat das verdient.“ Motiv des Überfalls: Tobias N. trägt im Winter eine Mütze des rechten Modelabels „Greifvogel Wear“.

19. Oktober 2019: Es folgt der Überfall auf die Eisenacher Rechte-Szene-Kneipe „Bull`s Eye“. Sie gehört Leon R. Der Wirt und fünf Gäste werden mit Baseballschlägern angegriffen.

Die Nacht vom 13. zum 14. Dezember 2019: Leon R. wird von Freunden nach Hause gefahren. Beim Aussteigen attackieren ihn Vermummte. Er wehrt sich. Da schlagen die Angreifer mit Hämmern auf das Auto – und stechen mit Stangen auf die Fahrzeuginsassen ein. Eine Frauenstimme soll den Rückzug befohlen haben. Die alarmierte Polizei kann zwei Fahrzeuge verfolgen und stoppen. In einem VW Golf sitzen Lina E. und Lennart A., der Wagen gehört Lina E.’s Mutter, die angebrachten Kennzeichen sind gestohlen. Ein weiteres Auto wird in Wommern gestoppt. Von den fünf Insassen können zwei fliehen. Ein drittes Fahrzeug, in ihm sitzt der spätere Kronzeuge Johannes D., wird sowohl auf der Hin- wie auch auf der Rückfahrt auf der A 4 bei Jena geblitzt.

15. Februar 2020: Rund 20 vermummte Linksextremisten überfallen sechs Rechtsextremisten auf dem Bahnhof Wurzen. Die sechs kommen aus Dresden von einem Gedenkmarsch an die Luftangriffe 1945, sie haben eine Reichskriegsflagge dabei. Vier von ihnen werden lebensgefährlich verletzt. Bei der Überprüfung der Videoaufnahmen stellen Ermittler fest, daß eine Frau und ein Mann die Gruppe im Zug observiert hatten und dann telefonierten. Es soll sich um Lina E. und ihren Verlobten Johann G. handeln. Das Paar selbst beteiligt sich nicht an dem Überfall, bleibt im Zug und fährt weiter nach Leipzig.

Mindestens 13 Menschen sollen Opfer der Hammerbande geworden sein. Leon R. gab in seiner Kneipe in Eisenach, nach dem Überfall auf ihn, der JF ein Interview. Er schilderte damals den Überfall durch die Hammerbande. R. sitzt aktuell, genauso wie Enrico B. aus Leipzig, in U-Haft. Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft gegen die beiden Rechtsradikalen: Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Die Angeklagten

Lina E. (27), aus Kassel, Abitur, Mutter Erzieherin, der Vater ist Oberstudienrat. Lina E. studiert Sozialpädagogik in Halle. Ihre Bachelorarbeit mit dem Titel „Zum Umgang mit Neonazismus in der Jugendarbeit. Der NSU im Jugendclub Winzerla“ wird mit „Sehr Gut“ benotet. Lina E. zieht 2018 nach Leipzig-Connewitz. Spätestens im August des Jahres soll sie sich Linksextremisten angeschlossen haben. 2019 beginnt sie von Leipzig aus ihren Masterstudiengang in Halle. Die erste vorläufige Inhaftierung ist am 10. Juli 2020 für fünf Tage, am 5. November 2020 erfolgt die erneute Festnahme in Connewitz, seit 6. November 2020 befindet sich Lina E. in Untersuchungshaft. Sie sitzt im Frauengefängnis Chemnitz, beginnt eine Ausbildung zur Tischlerin, angeblich sei sie an Rheuma erkrankt. Sie ist bisher nicht vorbestraft.

Lennart A. (28), aus Braunschweig, 1994 geboren, genannt „Mio“. Nach dem Abitur beginnt er ein Physikstudium an der Universität Leipzig, wechselt dann zur Mathematik. Er soll sich Ende 2019 der Gruppe um Lina E. angeschlossen haben.

Jannis R. (37) aus Freiberg wurde 1985 geboren. Abitur, Zivildienst, abgebrochenes Physikstudium an der TU Dresden, dann Kommunikationswissenschaft an der Universität in Leipzig, ebenfalls abgebrochen. Nach der Ausbildung zum Sozialassistenten kann er die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher nicht beenden, weil bei ihm Marihuana sichergestellt wird – Drogenkonsum ist ein Ausschlußkriterium. Seit 2019 arbeitet er in einem Pflegedienst. Er soll sich 2019 der Gruppe angeschlossen haben.

Philipp M., (29), Berliner, genannt Nero. Der Krankenpfleger stammt aus der Autonomenszene der Rigaer Straße. Er ist vorbestraft, weil er 2017 einen Polizeihubschrauberpiloten mit einem Laserpointer blendete. Dafür wurde er zu 1,5 Jahren Haft verurteilt.

Ein zäher Prozeß

Zu Beginn des Prozesses schweigen die Angeklagten eisern. Sie müssen auch nichts sagen, das ist ihr gutes Recht. Insofern gestaltet sich die Beweisaufnahme lange Zeit ungemein zäh. Videoaufnahmen zeigen nur Maskierte und auch die aufgenommenen Gespräche aus verwanzten Autos lassen keine eindeutige Täterschaft zu. Zeugen, meist Opfer, können die Angeklagten nicht als Täter identifizieren. Leon R. will Lina E. einzig an ihrer Stimme wieder erkannt haben. Enrico B., der brutal von mehreren Schlägern vor seinem Haus schwer verletzt wurde, kann vor Gericht die Angeklagten nicht als Täter identifizieren. Eine DNA-Mischspur an einem Plastikbeutel, den Polizisten an dem Tatort entdeckten, sei von Lina E. – ihr Verteidiger zweifelt an, daß die Spur sicher von seiner Mandantin stamme.

Auch die bei Hausdurchsuchungen in der Wohnung von Lina E. entdeckten Tatwerkzeuge, wie die Hämmer, in Plastiktüten verpackte Handys, Kleidung, 4.000 Euro Bargeld überführen die Angeklagten nicht. Es werden noch viele Ermittler und Gutachter aussagen. Doch dann passiert etwas Unvorhersehbares.

Der Kronzeuge

Es ist ein Irrglaube, daß die Antifa feministisch ist. Vergewaltiger oder einfach Frauenfeinde gibt es überall – auch in ihren Reihen. Öffentliche Fahndungsaufrufe nach auffällig gewordenen Männern finden sich öfter auf linksextremen Plattformen. Im Falle eines gewissen Johannes D. kommt allerdings der Fahndungsaufruf mit Foto und vollem Namen, wenn es nach den Angeklagten vor dem Oberlandesgericht Dresden geht, zur Unzeit. Denn Johannes D. stammt aus dem Umfeld der Angeklagten. Er war wenigstens bei einigen Angriffen im Vorfeld informiert oder spähte das Umfeld eines späteren Opfers aus. Er ist einer derjenigen, die nach dem zweiten Überfall auf Leon R. zwei Mal auf der A4 bei Jena von einem Blitzgerät fotografiert wird.

Der Linksextremist weiß genau, was ihm bevorsteht, nachdem er Kenntnis davon erlangt, daß Linke ihn wegen Vergewaltigung suchen. Aus Angst vor den Sympathisanten seiner empörten Ex-Freundinnen versucht er in Warschau unterzutauchen. Bevor ihn seine linken Genossen entdecken, tun das allerdings die deutschen Sicherheitsbehörden.

Der 30jährige entscheidet sich, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und vor Gericht auszupacken. In mehreren Zeugenvernehmungen vor Gericht stellt er Lina E., aber auch ihren Verlobten Johann G. als Köpfe der Gruppe dar. Sie hätten die Angriffe geplant und organisiert. Es hätte Kampfsporttrainings gegeben. Darüber hinaus nennt er noch zwei Tatbeteiligte beim Angriff auf Leon R. aus dem Jahr 2019, von denen die Ermittler bisher nichts wußten.

Ausblick

Wird mit diesem Prozeß Ruhe einkehren? Ist dem Linksextremismus der Kopf abgeschlagen? Eher nicht. Wie bei der Roten-Armee-Fraktion formiert sich die zweite Generation. Die Linksextremisten gehen in den Untergrund, radikalisieren sich weiter und begehen weitere Anschläge. Allein in diesem Jahr verletzten Linksextremisten in Erfurt zwei Neonazis mit Äxten schwer. Im Februar sollen mindestens acht deutsche Linke in Budapest mit Totschlägern und Pfefferspray Rechtsextremisten, aber auch Passanten, überfallen und schwer verletzt haben. Die Polizei konnte einige der Täter schnappen. Andere, wie der Verlobte von Lina E., sollen weiter auf der Flucht sein.

Rückhalt in der Gesellschaft haben weder gewaltbereite Autonome noch die Antifa. Selbst intern ist das Vorgehen umstritten und wird diskutiert. Die Planungen zum sogenannten Tag X, dem Samstag nach der Urteilsverkündung, sind umstritten. Einige Linke wollen, sollte die Polizei eine Verbotsverfügung der Demonstration durchsetzen, in andere Städte ausweichen. Andere raten, trotz Demonstrations-Verbot nach Leipzig zu reisen und sich während der drei weiteren Großereignisse in Leipzig, Grönemeyer-Konzert, dem Hochrisiko-Fußballspiel zwischen dem 1. FC Lok Leipzig und dem Chemnitzer FC und dem Stadtfest, unter das Volk zu mischen und aus dem Verborgenen heraus Angriffe zu starten.

Sicher ist nur, einem kleinen Teil der Linken wird der Geldhahn abgedreht. Unter der Überschrift: „Anfeindungen nehmen zu! +++Bank kündigt Spendenkonto“ veröffentlicht ein sogenanntes indy-kollektiv am 28. Mai, daß die Bank für Sozialwirtschaft das Spendenkonto für indymedia beim linken Netzwerk Selbsthilfe zum 31.Mai schließe, am Tag der Urteilsverkündung. (mit ho)

Revision eingelegt: Lina E. versteckt sich vor dem Prozeß hinter einem Aktenordner. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert
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