BERLIN. Der Umgangston in den Koalitionsparteien wird rau, zum Teil sogar aggressiv und beleidigend. Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) SPD und FDP am Dienstag aus Frust über die Kritik an seiner Verbotspolitik als „Fortschrittsverweigerer“ beschimpft hatte, keilten die beiden anderen Ampel-Parteien nun zurück.
Am weitesten ging FPD-Vize Wolfgang Kubicki, der Habeck mit Rußlands Präsident Wladimir Putin verglich – die wahrscheinlich schlimmste Herabsetzung, die man neben einer Nazi-Analogie aktuell vornehmen kann. Zwar entschuldigte sich Kubicki später für seine „Entgleisung“. Aber die Beleidigung zeigt, wie zerrüttet das Klima in der Regierung inzwischen ist.
Kubicki: Habeck und Putin meinen, ein „Führer“ weiß alles
Im dem Abo-Sender „Massengeschmack-TV“ hatte Kubicki über Koalitionspartner Habeck gesagt: „Er meint, Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit. Das bedeutet: Wer sich selbst freiwillig unterwirft, der ist wirklich frei. Und wer dagegen opponiert, daß er sich unterwerfen muß, wer eigene Entscheidungen treffen muß, der ist in Wahrheit unfrei. Denn er ist ja gezwungen zu opponieren.“ Schon das sagt viel über das gegenseitige Mißtrauen aus.
Aber Kubicki ging noch weiter: „Das ist ein Freiheitsbegriff, den könnte Wladimir Putin problemlos auf sein eigenes Herrschaftsmilieu übersetzen.“ Doch damit nicht genug: „Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, daß der Staat, der Führer, der Auserwählte, besser weiß als die Menschen, was für sie gut ist.“
Koalitionskrach: Auch Kühnert knöpft sich Habeck vor
Das wäre auch dann starker Tobak, wenn der FDP-Politiker so über einen Oppositionspolitiker gesprochen hätte. Aber es meinte den Koalitionspartner – ein Zeichen, wie tief der Zorn über die von den Grünen dominierte Regierungspolitik sitzt. Die FDP verliert Wahl um Wahl, weil sie die Entscheidungen mit vertreten muß und dafür verantwortlich gemacht wird.
„Man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert“ – Kevin Kühnert kritisiert Wirtschaftsminister Habeck. pic.twitter.com/biGDn85mHA
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) March 22, 2023
Doch auch die SPD knöpfte sich Habeck vor. Dieser habe „anscheinend in seiner eigenen Partei ein bißchen Druck auf dem Kessel“, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert in der ARD. Er könne das zwar verstehen. „Aber man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, daß man deswegen jetzt einfach in alle Richtungen koffert.“
Auslöser der scharfen Auseinandersetzung innerhalb der Ampel-Koalition ist Habecks Plan, ab 1. Januar 2024 alle Gas- und Ölheizungen zu verbieten. Dies würde nicht nur Neubauten, sondern auch Altbauten betreffen, wenn ein Gerät ausgetauscht werden müßte. Eigenheimbesitzer würde der erzwungene Umstieg auf eine Wärmepumpe bis zu 100.000 Euro kosten. Nach der FDP haben auch Teile der SPD Zweifel geäußert, ob dies zumutbar wäre. (fh)