BROKSTEDT. Welche Rolle hat ein psychiatrisches Gutachten bei der Freilassung des Regionalzug-Attentäters, Ibrahim A., aus der Untersuchungshaft gespielt? Wegen einer anderen Messerattacke saß der Migrant bis zum 19. Januar in Untersuchungshaft. Er hatte am 16. Januar vorigen Jahres in Hamburg einen Obdachlosen mit drei Stichen, einen davon in den Hals, niedergestochen. Dafür erhielt er eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und einer Woche.
Da der „Flüchtling“ Berufung gegen das ohnehin milde Urteil einlegte, blieb er in U-Haft. Die Justiz fand keinen Termin für die neue Verhandlung. Die Länge der Untersuchungshaft hielt sie daher für unangemessen und plante die Aufhebung des Haftbefehls gegen den 33jährigen, der wegen teils schwerer Körperverletzung schon sechs Mal aktenkundig geworden war. Kurz davor ließ sie den Migranten, wie der Spiegel berichtet, von einem Psychiater untersuchen. Der Mediziner kam demnach zu der Einschätzung, von A. gehe „keine Fremd- und Selbstgefährdung“ aus.
Brokstedt-Attentäter auch in Haft gewalttätig
Nach sechs Tagen in Freiheit beging er dann bei Brokstedt den Anschlag in der Bahn von Kiel nach Hamburg. Der Mann, von dem angeblich keine Gefahr ausging, erstach eine 17jährige und einen 19jährigen. Sieben weitere Menschen verletzte der Ausländer, der 2015 einen Asylantrag in Deutschland gestellt hatte, zum Teil lebensgefährlich. Hätten ihn nicht andere Fahrgäste überwältigt, wäre die Zahl der Opfer wohl noch größer.
Das psychiatrische Gutachten erscheint nicht nur wegen der dicken Strafakte – insgesamt hatte er vor dem Anschlag von Brokstedt zwölf Delikte auf dem Kerbholz – fragwürdig. Auch im Gefängnis Billwerder, wo er die U-Haft verbrachte, wurde er gewalttätig. Einmal geriet er mit einem anderen Gefangenen aneinander. Außerdem hatte der Palästinenser einen Vollzugsbeamten angegriffen. Daraufhin wurde er psychiatrisch betreut.
Gericht sah hohes Risiko für Wiederholungstaten
Das Amtsgericht, das A. wegen der Messerattacke auf den Obdachlosen verurteilt hatte, kam in seinem Urteil zu der Vermutung, daß das Risiko, daß A. wieder Straftaten begehe, bei 50 Prozent liege. Es fehle an einer „günstigen Sozialprognose“. (fh)