BONN. Mit der Verlesung der Anklageschrift hat der Prozeß gegen den Chef der Warburg-Bank, Christian Olearius, begonnen. Es geht bei dem Verfahren vor dem Landgericht Bonn um die Cum-Ex-Geschäfte des Geldinstitutes und Steuerbetrug in Höhe von insgesamt 280 Millionen Euro.
Der Fall ist deswegen so brisant, weil dabei auch Olaf Scholz (SPD) eine zentrale Rolle spielt. Als damaliger Erster Bürgermeister in Hamburg hatte sich der Bundeskanzler wegen des Steuerbetruges drei Mal mit Olearius getroffen. Sein Name fiel am ersten Tag des zunächst bis März 2024 angesetzten Prozesses mehrfach. Es könnte brenzlig für den Regierungschef werden und nicht unwahrscheinlich sein, daß er vor Gericht als Zeuge geladen wird.
Peter Gauweiler ist Olearius‘ Anwalt
Vertreten wird der 81jährige Olearius von vier Anwälten. Einer davon ist der langjährige CSU-Politiker Peter Gauweiler. Die Verteidigungsstrategie hat sich bisher noch nicht herausgeschält. Klar ist aber, daß der Bankier behauptet, nichts von der Strafbarkeit der Cum-Ex-Geschäfte gewußt zu haben. Tatsächlich handelte es sich um eine Gesetzeslücke, die erst später geschlossen wurde. Hat Scholz den Warburg-Chef damals in diesem Denken bestärkt? Vermutlich wird Gauweiler die politische Dimension des Falles thematisieren.
Auch wenn sich Scholz nur an die Gespräche, nicht aber an deren Inhalte erinnern mag, ist klar, worum es dabei ging: Der Bankier wollte über seinen Kontakt zum Ersten Bürgermeister die Steuerrückforderungen des Finanzamts wegverhandeln. Kürzlich aufgetauchte E-Mails belasten den Kanzler zusätzlich.
Nach Scholz-Anruf verzicht Hamburg auf Rückzahlung
In der Anklage heißt es, Olearius habe 2016 und 2017 „außerhalb der rechtlichen Wege“ versucht, die „erschlichenen Steuern“ für seine Bank zu behalten. Die Gespräche im Rathaus sollten, so die Staatsanwaltschaft, zum „Aufbau politischen Drucks“ auf die Finanzbehörde führen. Es sei Olearius nicht um eine „allgemeine Interessenvertretung“ gegangen.
Nach dem Treffen mit Olearius Ende Oktober 2016, so heißt es in der Anklageschrift, habe Scholz zwei Wochen später den Bankier angerufen und ihm empfohlen, sich an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu wenden. Wenige Tage darauf entschied Tschentschers Behörde, die damals im Raum stehenden 47 Millionen Euro nicht zurückzufordern.
Wie es dazu kam, welchen Einfluß Scholz und Tschentscher genommen haben, um der alteingesessenen Hamburger Bank die Steuerschuld zu erlassen, soll im Prozeß geklärt werden. (fh)