BERLIN. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat fast den gesamten Bundeshaushalt für 2023 gesperrt. Ausgenommen hat er dabei nur die Verfassungsorgane Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Vorausgegangen war eine verheerende Stellungnahme des Bundesrechnungshofes für die für Dienstag angesetzte Sachverständigenanhörung im Haushaltsausschuß des Bundestages. Die Prüfbehörde schreibt, werde der Haushalt 2024 und der 200-Milliarden-Fonds nicht überarbeitet, seien sie „verfassungsrechtlich höchst risikobehaftet“.
Rechnungshof: 187 Milliarden einsparen
Um ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu vermeiden, müßte die Ampel im kommenden Jahr 187,3 Milliarden Euro einsparen, so der Rechnungshof. Wie groß der Schaden tatsächlich ist, machen die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes klar. Bis einschließlich September betrugen die Einnahmen des Bundes 278,8 Milliarden Euro. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte sich laut der Behörde ein „Finanzierungsdefizit von ca. 57,6 Milliarden Euro“ ergeben.
Nicht mitgerechnet sind dabei die zahlreichen „Sondervermögen“ in Höhe von insgesamt 870 Milliarden Euro, mit denen die Ampel mutmaßlich verfassungswidrig ihre kostspielige Politik im Sinne des Klimaschutzes kreditfinanziert bezahlen wollte.
Sachverständige halten Haushalt für verfassungswidrig
Auch die für die Sachverständigenanhörung vorbereitete Stellungnahme des Finanzwissenschaftlers Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg ist inzwischen bekanntgeworden. Der Experte sieht demnach in der Haushaltsplanung für 2024 eine Lücke von mindestens 52 Milliarden Euro: „Um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, muß die Bundesregierung den geplanten Einsatz aller Sondervermögen ohne eigene Kreditermächtigung auch jenseits des Sondervermögens Klima- und Transformationsfonds überprüfen.“
Und der Heidelberger Verfassungsrechtler Hanno Kube, der die Klage der CDU/CSU-Fraktion gegen den Klima- und Transformationsfonds (KTF) mitvertreten hatte, schreibt laut Spiegel: „Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein.“ Dieser sei, so der Experte, „kurzfristig nicht beschlußreif“.
Lindner mit spektakulärem Schritt
Finanzminister Lindner reagierte auf die verheerende Kritik mit einem spektakulären Schritt, den es in Deutschland lange nicht gegeben hatte. Fast den kompletten Etat für das laufende Jahr hat er gesperrt. Dort sind fast 140 Milliarden Euro neue Schulden eingeplant, um die kostspielige Transformation des Industriestaates zu einem klimaneutralen Land hinzubekommen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zunächst nur den 60 Milliarden Euro schweren KTF für nichtig erklärt. Allerdings hatte Karlsruhe auch weitere Klarstellungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten getroffen.
Lindner interpretiert das, wie viele Verfassungsrechtler, nun offenbar so, daß der mit Krediten von 200 Milliarden Euro gesicherte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ebenfalls verfassungswidrig ist. Der gesamte Haushaltsplan für 2024, auf den sich die Ampel im Hauruckverfahren geeinigt hatte und der in elf Tagen vom Bundestag beschlossen werden sollte, ist offenbar hinfällig. Die Ampel steht vor einer enormen Zerreißprobe.