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Bundestag: Keine Wahl gelassen

Bundestag: Keine Wahl gelassen

Bundestag: Keine Wahl gelassen

Das Gebäude der der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin
Das Gebäude der der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin
Das Gebäude der der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin: Sie ist einer der exklusivsten Clubs der Hauptstadt Foto: picture alliance / Michael Kappeler/dpa
Bundestag
 

Keine Wahl gelassen

Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft ist ein exklusiver Club von Bundestagsabgeordneten. Früher war es üblich, daß im Vorstand alle Fraktionen vertreten sein sollen. Mittlerweile scheinen jedoch andere Regeln zu gelten.
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Direkt gegenüber dem Ostportal des Reichstags am Friedrich-Ebert-Platz befindet sich einer der exklusivsten Clubs der Hauptstadt: die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG). Rein kommt nur, wer schon drin ist – also im Bundestag. Bedeutet: Mitglied kann nur werden, wer Abgeordneter ist. Bis vor kurzem galt das auch für Mitglieder der Landtage, mittlerweile ist es – aktuellen oder ehemaligen – MdB vorbehalten, Teil dieser erlauchten Gesellschaft zu werden.

Hier können Frau und Herr Volksvertreter nicht nur exklusiv zu Mittag speisen, sondern auch diskret Gäste und Gesprächspartner treffen und bewirten. Dafür muß man wie in jedem Verein einen mittleren dreistelligen Mitgliedsbeitrag leisten, doch auch der Steuerzahler legt was drauf. Aktuell sind es laut Haushalt rund 2,5 Millionen Euro im Jahr. Außerdem darf die DPG ihre dem Bund gehörenden Räumlichkeiten unentgeltlich nutzen. Und die sind reichlich prachtvoll mit Kronleuchtern, Marmor und Kassettendecken, standesgemäß im ehemaligen Reichspräsidentenpalais.

Gegründet wurde die DPG als Club der Abgeordneten 1949 in Bonn und sollte dem Miteinander-Parlieren – über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg – dienen. Und zwar frank und frei, ohne lästige Zuhörer, weshalb (bei aller Offenheit für Gäste ohne Mitgliedsstatus) Journalisten auch eine eher unerwünschte Spezies im gediegenen Clubambiente sind.

„Stammtisch“ und „ein Stück Freiheitsgeschichte“

Wer als Veteran alter Zeiten das Glück eines gelegentlichen Besuchs hatte, schwärmt meist noch heute von der legendären „Ossis Bar“ im Keller, benannt nach dem „Bundes-Barkeeper“ Osvaldo Cempellin. Er machte sogar 1999 den Umzug vom Rhein an die Spree mit, und galt als verschwiegenster Mann im Politbetrieb.

Während der legendäre Carlo Schmid (SPD), einer der Väter des Grundgesetzes, die DPG eher schlicht und pragmatisch einen „parlamentarischen Stammtisch“ nannte, bezeichnete ein Journalist die DPG einmal etwas pathetischer als ein „Stück bundesdeutscher Freiheitsgeschichte“. Ihre Gründer hätten nach dem Untergang der Weimarer Republik und der NS-Diktatur einen Ort geschaffen, an dem „parlamentarische Kollegialität ganz bewußt über den Parteienstreit“ gestellt wurde.

Diese Schwerpunktsetzung scheint jedoch nun etwas unter die Räder geraten zu sein. Vergangene Woche kam zu mittäglicher Stunde die Mitgliederversammlung zur Neuwahl des Vorstands der DPG zusammen. Die bisherige Präsidentin Michaela Noll (CDU) war 2021 nicht wieder zur Bundestagswahl angetreten.

Für manches Mitglied überraschend, lag als Tischvorlage eine vom alten Vorstand gefertigte Vorschlagsliste, die per Akklamation abgenickt werden sollte. Neben dem Kandidaten für das Präsidentenamt, dem Brandenburger Bundestagsabgeordneten Stefan Zierke (SPD), war für jede Fraktion ein Kandidat für den Vize-Posten vorgesehen. Für die Union ist es die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters, für die Grünen die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth, außerdem Michael Georg Link (FDP) sowie die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau von der Linken.

Alle Fraktionen vertreten – bis auf eine

Insgesamt gehören diesem Vorstandstableau fünf Sozialdemokraten, vier Mitglieder der Union, drei Grüne und je zwei FDP- und Linken-Abgeordnete an. Somit sind alle Fraktionen vertreten – mit einer Ausnahme: der AfD. Üblicherweise war (bis 2017) jede Fraktion gemäß der Anzahl ihrer Ausschußsitze im DPG-Vorstand vertreten.

Daraufhin schlug bei der Mitgliederversammlung Stephan Brandner (AfD) seinen Fraktionskollegen Malte Kaufmann, seit vergangenem Jahr Bundestagsabgeordneter und ebenfalls Mitglied der DPG, als weiteren Kandidaten für einen der Vorstandsposten vor. Das hätte indes eine Abweichung von der bereits vorliegenden Vorschlagsliste bedeutet. Und so ließ der Sitzungsleiter die Anwesenden abstimmen, ob der Abgeordnete aus Baden-Württemberg überhaupt zur Wahl antreten dürfe. Ergebnis: nein. Die Mehrheit der Anwesenden wollte lieber nicht wählen müssen. Einträchtig stimmte man anschließend für die zuvor vereinbarte Liste.

Für Brandner und Kaufmann ist es eine Ungeheuerlichkeit, daß man einem vollwertigen Vereinsmitglied verweigerte, sich der Wahl überhaupt zu stellen. Das Vorgehen sei in keiner Weise von der Geschäftsordnung der Gesellschaft gedeckt. Die DPG wollte Fragen dazu nicht beantworten. „Als parteiübergreifender parlamentarischer Club haben wir bisher gute Erfahrungen damit gemacht, uns zu Fragen auch um die Organisation der Gesellschaft medial nicht zu äußern“, teilte die Geschäftsführung auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. An dieser bisher gepflegten Praxis wolle man festhalten. Verschwiegen wie der legendäre Barkeeper Ossi …

Für die AfD ist der Fall damit jedoch nicht erledigt. „Wir prüfen juristische Schritte dagegen“, kündigten Brandner und Kaufmann gegenüber der JF an. Nicht ausgeschlossen, daß am Ende die per Handzeichen und Einheitsliste erfolgte Vorstandswahl ungültig ist und wiederholt werden müßte. Das dürfte dann eine Premiere in der Geschichte der DPG sein, die doch sonst – wie es in einer Beschreibung heißt – „in der Hektik des politischen Betriebs Ruhezone und Refugium“ ist.

JF 19/22

Das Gebäude der der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin: Sie ist einer der exklusivsten Clubs der Hauptstadt Foto: picture alliance / Michael Kappeler/dpa
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