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AfD streitet über Rußland-Kurs: Krieg und Unfrieden

AfD streitet über Rußland-Kurs: Krieg und Unfrieden

AfD streitet über Rußland-Kurs: Krieg und Unfrieden

Zerbrochener AfD-Kugelschreiber: AfD streitet über Rußland-Kurs Foto: picture alliance | CHROMORANGE / Christian Ohde
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Zerbrochener AfD-Kugelschreiber: AfD streitet über Rußland-Kurs Foto: picture alliance | CHROMORANGE / Christian Ohde
AfD streitet über Rußland-Kurs
 

Krieg und Unfrieden

Wie hält es die AfD mit dem Krieg in der Ukraine? Wie nahe steht die Partei Moskau? Klar ist, Einigkeit sieht anders aus. Kurz vor wichtigen Landtagswahlen könnte das zum Problem werden.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Es rumort wieder in der AfD. Das ist an sich nicht ungewöhnlich und keinesfalls eine Premiere. Aber diesmal ist der innerparteiliche Unfrieden direkte Folge eines echten Krieges. Vergleiche und begriffliche Analogien verbieten sich angesichts der Tatsache, daß in der Ukraine wirklich Raketen und Granaten einschlagen, gekämpft und gestorben wird.

Die Folgen, die politische Bewertung, der emotionale Umgang und die Ursachenerörterung – darüber tobt in der AfD ein Streit, der den Zusammenhalt der Partei erneut auf eine harte Probe stellt, ja sogar existenzgefährdend werden könnte, wie manche internen Stimmen befürchten.

Andere stellen die Lage weniger dramatisch dar, sprechen von „Unruhe“, weisen den Begriff „Spaltung“ aber zurück. Beschäftigen wird das Thema erneut die Bundestagsfraktion auf ihrer nächsten Sitzung kommende Woche. Grund: Ein Antrag, den Abgeordneten Steffen Kotré wegen seiner Rede im Plenum am Freitag vergangener Woche zu rüffeln und mit einer Strafzahlung zu sanktionieren.

Bundestagsfraktion streitet sich öffentlich

Der Politiker aus Brandenburg, der über gute Beziehungen nach Rußland verfügt, hatte in der Debatte über Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen mit Blick auf den Krieg in der Ukraine unter anderem gesagt: „Wenn wir darüber reden, müssen wir immer auch die Mitschuld des Westens betrachten. Der Westen – namentlich die USA – hat nichts dafür getan, diese Situation zu entschärfen.“ Man müsse außerdem, so Kotré, „eben auch über die Biowaffenlabore in der Ukraine reden, die gegen Russland gerichtet sind, und viele, viele andere Dinge.“

Indem er damit eine Behauptung russischer Staatsmedien aufgriff, brachte er seinen Parteikollegen, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Norbert Kleinwächter in Rage. Der schrieb auf Twitter: „Ich distanziere mich in aller Entschiedenheit von der widerlichen Putin-Propaganda, die Steffen Kotré heute im Bundestag verbreitet hat. Ich habe das Plenum verlassen, werde Konsequenzen einfordern.“

Damit habe er, so zitiert die ARD eine interne Begründung Kleinwächters, verhindern wollen, daß die Fraktion in Mithaftung genommen werde für „diesen gefährlichen Unfug“. Das sehen auch viele seiner Kollegen, mehrheitlich aus den westlichen Bundesländern. Stimmen aus der Ost-AfD werfen indes Kleinwächter vor, mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit gegangen zu sein.

Konfliktlinie entlang der innerdeutschen Grenze

Und auch von Fraktionschef Tino Chrupalla wird Kotré in Schutz genommen: Was der gesagt habe, müsse gestattet sein. Das wiederum halten Chrupallas Kritiker dem Parteivorsitzenden als Führungsschwäche vor. Denn Kotrés Worte seien am Thema vorbei, unnötig und nicht durch die Positionspapiere von Partei und Fraktion gedeckt gewesen.

Setzen sich diese Stimmen mehrheitlich durch und beharren sie auf einer Ordnungsstrafe für Kotré, wäre es auch eine Klatsche für den Fraktionsvorsitzenden, dem sie zu einseitige Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der tendenziell stärker russophilen Ostverbände vorwerfen.

In der Tat verläuft die Konfliktlinie auf den ersten Blick entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Kein Wunder, daß Chrupalla, der nicht müde wird, für Verständnis für Rußland zu werben, Sanktionen abzulehnen und die Nato zu kritisieren, aus seinem eigenen Landesverband Sachsen viel Rückendeckung bekommt.

Überraschendes aus Thüringen

Auch Thüringens Landeschef Björn Höcke hält am Narrativ der mißbrauchten Ukraine, die vom Westen instrumentalisiert werde, fest: „Die heutige Ukraine ist ein Vielvölkerstaat. Das Problem der verschiedenen Volksgruppen wird nicht auf Dauer gelöst, wenn sich die russischen Truppen einfach zurückziehen.“ Deutschland solle sich neutral verhalten.

Um so überraschender, daß die als Höcke-Vertraute geltenden Stephan Brandner (Bundesvorstand) und Torben Braga (Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion) sich scharf gegen Rußland positionierten. Braga schrieb am 26. Februar auf Twitter: „Die Worte von Poroschenko wirken wie ein Schlag in die Magengrube. Viele Freiwillige aber kaum Waffen, um die eigene Heimat zu verteidigen. Dennoch entschlossen niemals aufzugeben. Und Deutschland schickt 2 Tage nach der Invasion 5.000 Helme. Es ist eine Schande!“ Noch deutlicher äußerte sich Brandner am 28. Februar auf dem Kurznachrichtendienst: „Meine Einschätzung: Heute Nacht ist ein Monatswechsel­ – es wird der letzte sein, an dem Putin russischer Präsident ist – und das ist auch gut so!“

Tino Chrupalla trifft Russlands Außenminister Sergei Lawrow (Archiv): Druck aus den Westverbänden Foto: picture alliance/dpa/TASS
Tino Chrupalla trifft Russlands Außenminister Sergei Lawrow (Archiv): Druck aus den Westverbänden Foto: picture alliance/dpa/TASS

Auch in Brandenburg hat man besonders viel Verständnis für „russische Sicherheitsinteressen“. Auf Facebook schrieb der Landesverband zwei Tage nach der Invasion, daß der Krieg „hätte verhindert werden können“. Schuld an der Eskalation sei vor allem die Nato-Osterweiterung und der „fehlende Wille“ auf Rußland zuzugehen. „Jedoch rechtfertigt all das nicht den völkerrechtswidrigen Angriff Rußlands.“ Besonders schrill: Der Landtagsabgeordnete Lars Günter, der als enger Vertrauter des Ex-Landes- und Fraktionschefs Andreas Kalbitz gilt. Er gibt vor allem „Scharfmachern in der BRD“, bei denen es sich „allesamt um Trans-Atlantiker“ handele, die Mitschuld an der Eskalation. Kritische Worte zum russischen Überfall? Fehlanzeige.

Allerdings gibt es auch hier andere Stimmen. So verließen die Mitglieder einer der beiden AfD-Fraktionen im Kreistag von Barnim die Partei und begründeten dies unter anderem mit der zu rußlandfreundlichen Politik der AfD.

Magdeburger Fraktion veröffentlicht Positionspapier

Im Mecklenburg-Vorpommerschen Rostock sorgte der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Stefan Treichelt gerade für Aufsehen, als er eine Städtepartnerschaft der Hansestadt mit den russisch besetzten Gebieten im Donbass und in Luhansk forderte. Allerdings gilt Treichel innerhalb der Landespartei als völlig isoliert. In der Debatte wies der Rußlanddeutsche auf seine angeblich guten Kontakte zu den russischen Separatisten und der russischen Regierung hin.

Sicherlich am stärksten ist das Verständnis für Rußland in Sachsen-Anhalt ausgeprägt. Federführend sind hierbei der aus Westdeutschland stammenden ehemalige DKP-Funktionär und Bundestagsabgeordnete Robert Farle sowie der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider. Farle etwa kündigte in einer Sitzung der Bundestagsfraktion an, er werde aus dieser austreten, sollte die AfD Putin für die Invasion verantwortlich machen. Auf gleicher Linie Tillschneider: Er kritisiert vor allem die „Kriegshetze“ der USA und strebt, trotz Ukraine-Krieg, eher ein Bündnis mit Rußland als mit den USA an.

Am heutigen Donnerstag veröffentlichte die Fraktion in Magdeburg ein Positionspapier zur „Rußland-Ukraine-Krise“. Das übernimmt in weiten Teilen die Thesen der Bundestagsfraktion. Nicht allerdings die erste, die da lautete: „Der Krieg gegen die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg Rußlands, den wir scharf verurteilen.“ Stattdessen heißt es aus Sachsen-Anhalt ohne Erwähnung des Aggressors verallgemeinernd: „Angriffskriege, egal wo sie geschehen, lehnen wir ab.“

Sorge in den Westverbänden

Mit dieser Veröffentlichung kündigten die Abgeordneten in Magdeburg zum Ärger mancher Kollegen in anderen Bundesländern den Konsens der Parlamentarischen Geschäftsführer auf, keine Alleingänge in dieser Frage zu unternehmen.

Vor allem in den West-Landesverbänden blickt man mit Sorge auf die Entwicklung. Konkrete Daten möchten die wenigsten herausgeben. Entweder weil sie nicht vorliegen oder weil man vermeiden möchte, allzu defätistisch zu wirken. Und so bekommt man manche Information auch nur unter der Bedingung, keine Details oder Quellen zu nennen. Nahezu unmöglich ist es zudem, die tatsächlichen Größenverhältnisse der beiden konträren innerparteilichen „Lager“ in Sachen Ukraine-Krieg auszumachen. Vieles spielt sich in Chatgruppen oder in den sozialen Medien ab. Die Debatte dort wird meist dominiert von den am Thema besonders interessierten oder engagierten. „Manchmal ist eine Mehrheit dort in Wahrheit eine Minderheit – nur eben eine besonders laute“, meint ein AfD-Funktionär.

Im Schnitt verliere man pro Woche zehn Mitglieder, heißt es aus der AfD eines westdeutschen Bundeslands. Nicht immer lasse sich zuordnen, was Ursache oder Anlaß für den Austritt sei. Drei Hauptgründe gebe es, heißt es unter der Hand: Der öffentlichkeitswirksame Rück- und Austritt Jörg Meuthens sowie das kurz darauf ergangene Urteil in Sachen Verfassungsschutzbeobachtung. Außerdem – noch immer – der Umgang der Partei mit dem Thema Corona und nun als neues Aufreger-Thema die Positionierung zum Angriff Rußlands auf die Ukraine. Hier äußert sich, so die Einschätzung von Insidern, eine Mehrzahl der Ausgetretenen kritisch über die ihrer Meinung nach zu rußlandfreundliche Positionierung, insbesondere seitens der Fraktionsspitze im Bundestag.

120 Austritte in Nordrhein-Westfalen / Bundesgeschäftsführer widerspricht

Genauer sind die Angaben aus Nordrhein-Westfalen. Insgesamt habe die AfD-Landesgeschäftsstelle dort 120 Austritte „mit Verweis auf die Ukraine-Problematik“ verzeichnet, teilte sie auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. Die meisten „mit sehr kurzen Begründungen“, einige aber auch „ausführlich mit Verweis auf die Reden von Alice Weidel und Tino Chrupalla beziehungsweise das Verhalten der Bundestagsfraktion im Plenum“. Viele Mitglieder hätten „das Sitzenbleiben oder Nicht-Klatschen vor allem als unhöflich“ bezeichnet. Der Vorwurf „schlechtes Benehmen“ sei häufiger in den Kündigungen zu lesen.

Die Begründungen seien jedoch „teilweise auch widersprüchlich“, heißt es aus der Geschäftsstelle: „Auf eine damalige Rundmail des Landesvorstands treten Mitglieder aus, weil sie die Mail anti-ukrainisch bzw. zu sehr pro-russisch lesen, wieder andere treten aus, weil sie die gleiche Mail ‘russophob’ finden“.

Vier Tage nach Veröffentlichung dieses Artikels meldete sich der Bundesgeschäftsführer der AfD, Holger Malcomeß, bei der JF und wies daraufhin, daß nach seiner Kenntnis nur 16 Austritte in NRW mit dem Krieg in der Ukraine gerechtfertigt worden seien.

Doch NRW ist in der Partei kein Einzelfall. Ähnliches berichtet ein Sprecher aus einem anderen Landesverband, ohne daß er zitiert werden möchte. Dort seien die Kritiker einer angeblich zu pro-ukrainischen Positionierung vor allem unter Angehörigen der rußlanddeutschen Minderheit zu finden. Ein Bundestagsabgeordneter aus dem Südwesten konstatiert, daß mit jedem Tag, den dieser Krieg länger dauert, die Zerreißprobe für die AfD zunehme. Vor allem „gestandene, vorzeigbare Bürgerliche“ würden sich abwenden. Das betreffe seiner Einschätzung nach nicht nur Mitglieder, sondern auch potentielle Wähler.

Bibbern vor der Landtagswahl

Vereinzelt wird auch in Partei-Chats östlicher Landesverbände von Parteiaustritten berichtet, die mit einer „zu rußlandfreundlichen Haltung“ der Partei begründet werden.

Daß allein in Nordrhein-Westfalen, wo sogar Vorstandsmitglieder persönlich mit einem Hilfstransport in die Ukraine gefahren waren (JF 13/22), so viele Mitglieder der Partei den Rücken kehrten, sorgt für ordentlich Unruhe. Denn legt man die offizielle Statistik des Bundesverbands von Anfang dieses Jahres zugrunde, fällt der größte Landesverband jetzt auf unter 5.000 Parteimitglieder. Kein gutes Signal angesichts der im Mai anstehenden Landtagswahl.

Aktuelle Umfragen sehen die AfD dort bei sechs Prozent. Das läßt manchen vor Ort nervös werden. „Wenn wir in Nordrhein-Westfalen aus dem Landtag fliegen, wäre es das Ende der AfD im Westen“, so ein Mitglied der Parteiführung. Für den „Absturz“ in den Umfragen erkennnbar verantwortlich: Der Sonntag mit der Sondersitzung im Bundestag. Da habe man eine „scheiß Performance“ geboten, so das selbstkritische Resümee.

Auch im Bundesvorstand wird gestritten

Ähnlich, wenn auch gewählter, formulieren es einige Ausgetretene. Sie vermißten beispielsweise in Chrupallas Rede eine deutliche Verurteilung des russischen Angriffs und werfen ihm vor, Moskaus Vorgehen zu relativieren. Ein anderes Ex-Mitglied meinte in den Worten Alice Weidels eine Rechtfertigung Putins auszumachen.

Geknallt habe es wegen der disparaten Haltung auch in der jüngsten Präsenzsitzung der Parteispitze. Mitglieder aus West-Verbänden sollen Chrupalla vorgehalten haben, zu wenig Verständnis für die Stimmung in den „alten“ Bundesländern aufzubringen. Aus ostdeutschen AfD-Landesverbänden ist dagegen zu hören, man habe es satt, immer für das schlechte Abschneiden verantwortlich gemacht zu werden, wo man doch bei den Wahlen in den eigenen Ländern satte zweistellige Ergebnisse einfahre. „Der Westen kann es nicht“, lautet dann der Vorwurf in die andere Richtung, wobei Größenverhältnisse und gänzlich andere Rahmenbedingungen meist ausgeblendet werden.

Abgeordneter rät zu Pragmatismus

Es dürfe „keine Relativierungen von Putins Überfall auf die Ukraine geben“, so Bundesvorstandsmitglied Alexander Wolf gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Daß sich „einzelne in der AfD auf einen Irrweg begeben“ hätten, spüre man in den Umfragen, vor allem aber an der Basis. „Viele Mitglieder verstehen nicht, warum es kein klares Nein zu Putin gibt“, meint der Bürgerschaftsabgeordnete aus Hamburg. Da manche deswegen auch schon ausgetreten sind, müsse „die Parteispitze dringend gegensteuern“.

Ein Abgeordneter aus Süddeutschland rät zu Pragmatismus: „Was denkt das Volk?“ – dies müsse man dringend in die Positionierung einfließen lassen. Im Augenblick dominiere doch das Erschrecken angesichts des Kriegs in der Nachbarschaft und das Mitgefühl für die vor den Bombenangriffen geflohenen Frauen und Kinder. Politisch sei es doch vollkommen unklug, nun dagegen zu halten.

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