BAYREUTH. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist bei einem „Bürgerdialog“ in Bayreuth am Donnerstagabend auf wütende Bürger getroffen. Sie pfiffen den Vizekanzler aus und beschimpften ihn als „Kriegstreiber“. Der Grüne konnte sich gegen den Protest zum Teil kaum verständlich machen.
Habeck sprach am Donnerstagabend auf einer Bühne in einem Hof der Innenstadt. Von Beginn an ertönte hinter den Absperrgittern ohrenbetäubendes Pfeifen, Buhen und Schreien. Es waren weit mehr als hundert Menschen, die dem Minister auch „Hau ab!“ entgegenriefen. Auf den zahlreichen Plakaten der Bürger stand unter anderem: „Sie sind ein Kriegstreiber!“ Auf einem anderen forderten Menschen laut Welt gar „Nürnberger Prozesse 2.0“.
Als der Wirtschafts- und Klimaschutzminister sich gegen die „Kriegstreiber“-Vorwürfe der Demonstranten wehrte, sagte er: „Die breite Mehrheit der Bevölkerung steht entschlossen und geschlossen.“ Und er ergänzte, die „Kriegstreiber“-Rufe seien „eine kategoriale Verwechselung von Ursache und Wirkung, von Schuld und Unschuld“. Habeck: „Es gibt einen Kriegstreiber in Europa, aber das ist Putin.“
Die Menge antwortet mit „Lügner“-Rufen
Dann forderte er: „Halten wir den Raum der Demokratie offen, auch gegen die Lautstärke.“ Die Menge antwortete mit „Lügner“- und erneuten „Hau ab“-Rufen. Habeck kontert, die Deutschen müßten wieder lernen, mit Krisen umzugehen und mit ihnen zu leben. Das Twiiter-Video zeigt, wie schwer Habeck zu verstehen war:
Robert #Habeck ist wird beim Versuch eines Bürgerdialogs in #Bayreuth niedergebrüllt und ausgepfiffen. Er dringt mit seiner Rede gegen „Hau-ab-Rufen kaum durch. @welt pic.twitter.com/HELxQPt3ga
— Philipp Vetter (@philippvetter) July 28, 2022
Der Bürgerdialog ist Teil einer kurzen Sommertour, die Habeck unternimmt. Neben den Protestierern kamen auch Menschen, die mit Habeck diskutieren wollten. Ihnen sagte er: „Wir sind – und das unterscheidet uns in Europa – bis auf wenige Menschen ein starkes Land mit einer starken demokratischen Mitte.“ Doch auch diese Menschen ließen sich – das zeigte sich kurz darauf – nicht so schnell einlullen.
Habeck: Bundesregierung wird Rußland-Politik nicht ändern
Wichtigste Nachricht: Der Minister stellt klar, daß die Bundesregierung ihre Rußland-Politik nicht ändern werde: „Worüber wir nicht diskutieren sollten, ist, ob wir uns einem diktatorischen Regime und einem völkerrechtswidrigen Krieg in Europa unterwerfen.“
Auch bei der anschließenden Diskussion muß sich Habeck viel Kritik anhören. Nach Gefälligkeitsfragen, ob er genug schlafe, weil er so abgekämpft aussehe und Aussagen von Parteifreunden, daß diese sich wegen der Proteste für Bayreuth schämten, kommen tatsächlich Bürger zu Wort. Eine Fragestellerin beklagt die Inflation, die den Mittelstand in Nöte bringe und will wissen: „Welchen Plan haben Sie, die soziale Ungleichheit und die Aggression, die ja auch wächst, zurückzudrängen, daß die Menschen Hoffnung bekommen? Es wird trotz unserer Waffenlieferungen weiter gemordet in der Ukraine. Welchen Plan hat die Politik erst mal für das eigene Volk?“
Und dann fragt ein Ingenieur, was er seinem Schwiegervater sagen solle, der gerade erst in eine neue Ölheizung investiert habe. Habeck reagiert kühl und trocken: „Er ist falsch beraten worden.“ (fh)