BERLIN. Zehn Monate nach dem abrupten Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan hat Deutschland bisher 4.952 ehemalige Ortskräfte aufgenommen. „Einschließlich der berechtigten Familienangehörigen haben insgesamt ca. 22.580 Personen eine Aufnahmezusage erhalten“, schreiben die Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (WD). Das Papier liegt der JUNGEN FREIHEIT exklusiv vor.
Das Aufnahmeerfahren in der Bundesrepublik sei allerdings noch nicht beendet, „und die ehemaligen Ortskräfte können nach wie vor Gefährdungsanzeigen stellen“. Das Truppenkontingent der Bundeswehr am Hindukusch betrug 1300 Soldaten.
Die Aufstellung der WD erlaubt erstmals einen Vergleich mit der Aufnahmepolitik anderer an dem Einsatz beteiligter Staaten. Zahlen von 17 weiteren Nato-Partner liegen vor. Demnach hat kein anderes Land so viele ehemalige einheimische Beschäftigte aufgenommen wie Deutschland. Mehr noch: Alle anderen Staaten zusammen haben insgesamt 15.635 Ortskräfte und deren Verwandte aufgenommen. Dies sind knapp 7000 weniger als Deutschland allein.
Über Estland heißt es zum Beispiel: „Aufnahme einer afghanischen Familie.“ Und Lettland hat „sechs afghanische Ortskräfte sowie drei Familienangehörige“ ins Baltikum geholt. In Griechenland waren es insgesamt gerade 18, in Norwegen 53.
AfD: „Politische Symbolik und Ideologie“
Mit großem Abstand hinter Deutschland liegt Großbritannien. Bisher hat das Königreich 1.561 afghanische Ortskräfte ins Land geholt. Mit Familienangehörigen fanden 8.188 Personen auf der Insel ein neues Zuhause. Die WD schreiben: „Bis April 2022 gab es mehr als 115.000 weitere Anträge für das Aufnahmeverfahren.“ Ob diese abgelehnt oder angenommen werden, ist unklar. Auch die Niederlande haben eine vierstellige Zahl afghanischer Beschäftigter und deren Angehöriger ins Land geholt. Bisher sind es 1926.
Die USA fehlen in der Liste. Sie gehören zu jenen Staaten, über die die Wissenschaftlichen Dienste keine Informationen erhalten konnten.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte, der Mitglied im Verteidigungsausschuß ist, kritisierte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Aufnahmepolitik Deutschlands: „Wenn man die Zahlen auch in Hinblick auf die deutlich geringere Zahl der ‚Ortskräfte‘, betrachtet, für welche die Bundesregierung in Mali eine Verantwortung sieht, dann drängt sich der Verdacht auf, daß die deutschen Aufnahmezusagen eher auf politischer Symbolik und Ideologie beruhen als auf einer seriösen Definition des Begriffes ‚Ortskraft‘.“ (fh)