MÜNCHEN. Wissenschaftler der Universität München haben in einer Studie die Wirksamkeit der von der Bundesregierung angeordneten Lockdown-Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bezweifelt. „Wenn die Maßnahmen der Regierung so wirksam sein sollten, dann müßte man nach dem Inkrafttreten Veränderungen des R-Wertes sehen. Aber das ist nicht der Fall“, sagte der Statistiker, Ralph Brinks, gegenüber der Bild-Zeitung.
Der tatsächliche Effekt der Lockdowns, zu denen etwa die Ausgangssperren und die Schließung von Schulen und Läden gehörten, sei so gering, daß man ihn nicht sehe. „Alles drumherum hat einen Einfluß, die Nachrichtenlage und saisonale Effekte. Aber es waren nicht die Maßnahmen der Regierung selbst“, betonte Brinks.
Der Zusammenhang mit den Maßnahmen fehle
Die Forscher hatten laut dem Blatt die Entwicklung des R-Werts untersucht, der zuverlässiger als die 7-Tage-Inzidenz sei und die Dynamik des Infektionsgeschehens besser abbilde. „Bei den R-Werten wie sie vom Robert-Koch-Institut täglich bestimmt werden, ergibt sich seit September kein unmittelbarer Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen – weder mit dem Lockdown-Light am 2. November und der Verschärfung am 16. Dezember 2020, noch mit der Bundesnotbremse, die Ende April 2021 beschlossen wurde“, lautete das Fazit ihrer Studie.
Stattdessen sei der R-Wert bereits vor den Lockdowns beziehungsweise deren Verschärfungen gesunken. „Wir sehen, daß der R-Wert schon gesunken ist, bevor über die Bundesnotbremse überhaupt diskutiert wurde“, äußerte sich die an der Studie beteiligte Forscherin Annika Hoyer.
Wieler plädiert für Impfquote von 80 Prozent in Deutschland
Unterdessen stufte das Robert-Koch-Institut (RKI) Deutschland am Dienstag nach sechs Monaten in seiner Corona-Risikobewertung von „sehr hoch“ auf „hoch“ herab. „Die Fallzahlen gehen deutschlandweit zurück, die Situation auf den Intensivstationen entspannt sich. Das sind alles sehr gute Nachrichten“, sagte RKI-Chef Lothar Wieler auf einer Pressekonferenz.
Gleichzeitig warb er weiter dafür, sich impfen zu lassen, „wann immer einem ein Impfangebot“ gemacht werde. Momentan liege die Quote der vollständig Geimpften in Deutschland bei 18 Prozent. „Um weitgehend auf Maßnahmen in Deutschland verzichten zu können, müssen aber mehr als 80 Prozent der Menschen in unserem Land einen Impfschutz haben“. Die Pandemie sei noch nicht vorbei und Öffnungsschritte dürften deshalb nur „kontrolliert und verantwortungsvoll“ ablaufen.
Für vorsichtige Schritte plädierte auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), der die Verlängerung der Bundesnotbremse über den Juni hinaus gefordert hatte. „Erfreulicherweise bewegen sich die Inzidenzen gerade nach unten, was zeigt, daß die Notbremse wirkt“, sagte er am Dienstag der Neuen Osnabrücker Zeitung. Wegen der Virusvarianten halte er eine Verlängerung der Notbremse jedoch für sinnvoll. CDU-Chef Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten teils inoffiziell erklärt, die deutschlandweiten Regelungen könnten zum 30. Juni auslaufen. (hl)