BERLIN. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat davon abgeraten, bereits jetzt über einen Corona-„Lockdown“ bis Ostern zu diskutieren. „So weit möchte ich nicht gehen. Gelingt es uns, schnell und nachhaltig unter den Inzidenzwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche zu kommen, müssen wir nicht den Frühlingsanfang abwarten, um darüber zu reden, wie wir wieder mehr Normalität schaffen“, sagte Weil am Freitag der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
„Aber jetzt schon zu sagen, wir sehen uns Ostern wieder, das hielte ich für übertrieben“, ergänzte der SPD-Politiker. Er wolle nicht „der Resignation zu viel Raum geben“. Es sei „unumstritten“, daß es im Winter ein höheres Risiko für eine Infektion gebe. Bei der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde aber nicht über Lockerungen gesprochen, vermutet Weil.
Lauterbach: „Beginn einer neuen Pandemie“
Sein Parteikollege Karl Lauterbach warnte hingegen vor der britischen Virus-Mutation. „Man kann sich das vorstellen als Beginn einer neuen Pandemie“, schrieb der Gesundheitspolitiker auf Twitter. Die Mutation sei gleich tödlich wie Sars-Cov-2, jedoch sei die Zahl der Ansteckung um 70 Prozent höher. Diese Dynamik beobachte man neben Großbritannien auch in Dänemark.
(1) Grafik von @TWenseleers zeigt, was zu befürchten war: UK Variante B117 hat in Dänemark ähnliche Dynamik wie in UK. Erste sehr grobe Berechnungen zeigen sogar 70% mehr Ansteckung. Somit wird es unwahrscheinlicher, dass es nur ein epidemiologischer Artefakt in UK war. Bedeutet? https://t.co/HuUSeRcaAh
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) January 14, 2021
Deshalb brauche es auch in Deutschland eine Verschärfung der derzeit geltenden Einschränkungen. Es sei wichtig, sofort zu reagieren: „Falsch wäre es, erstmal zu warten, ob es auch so kommt und dann zu reagieren.“ Dies müsse auch die Wirtschaft verstehen. Denn ein Zögern „käme teuer“.
Laut dem Wirtschaftsmagazin Business Insider prüft das Kanzleramt bereits schärfere Kontaktregeln. Demnach sollen für einen noch unbestimmten Zeitraum nur noch Treffen mit einer Person außerhalb des eigenen Haushalts erlaubt sein, bei der es sich aber um ein und dieselbe handeln muß, bestätigten mehrere nicht näher genannten Quellen aus Regierungskreisen. Bislang darf man sich privat und öffentlich nur mit einer Person treffen. die aber jeweils aus unterschiedlichen Haushalten kommen können.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief derweil zu mehr Arbeit im Heimbüro auf. „Ermöglichen Sie das Arbeiten von zuhause aus“, appellierte das Staatsoberhaupt am Freitag laut der Nachrichtenagentur dpa in Berlin an die Arbeitgeber. Auch an den Arbeitsplätzen müßten die Kontakte reduziert werden. „Weniger ist mehr, gerade in diesen Tagen.“
Gerüchte über Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs
Unterdessen gab Regierungssprecher Steffen Seibert bekannt, daß das nächste Bund-Länder-Treffen zur Beratung über weitere Maßnahmen gegen die Pandemie am kommenden Dienstag stattfinden soll. Ursprünglich war der nächste sogenannte Corona-Gipfel erst für den 25. Januar geplant. Doch die neue Mutation des Corona-Virus in Großbritannien habe die Vorverlegung notwendig gemacht.
Für Unruhe sorgten derweil Gerüchte über eine mögliche Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs wegen der weiterhin nicht zurückgehenden Infektionszahlen. Laut Bild-Zeitung werde im Verkehrsministerium geprüft, welche Auswirkungen ein kompletter „Lockdown“ des Landes haben würde und wie in dem Fall die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden könne. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wollte sich demnach nicht dazu äußern. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte am Freitag den Sendern RTL und ntv, entsprechende Meldungen darüber seien „natürlich nicht richtig“. Dies habe auch niemand vorgeschlagen. (ls/ag)