FREIBURG/KARLSRUHE. Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek hat dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Untätigkeit bei seinem Eilantrag gegen die sogenannte Bundes-Notbremse vorgeworfen. „Dieser Eilantrag liegt seit nunmehr fünf Wochen beim Bundesverfassungsgericht, ohne daß das Gericht tätig geworden ist“, teilte der Freiburger Universitätsprofessor Murswiek am Donnerstag mit. Der Jurist ist Beschwerdeführer einer Klage unter anderem des SPD-Bundestagsabgeordneten Florian Post und des Düsseldorfer Anwalts Carlos A. Gebauer (FDP).
„Statt unserem Antrag zügig stattzugeben und rechtsstaatliche Verhältnisse in der Corona-Bekämpfung wiederherzustellen, tut das Bundesverfassungsgericht gar nichts“, kritisierte Murswiek. „Es drängt sich der Eindruck auf, als wolle der zuständige Erste Senat abwarten, bis die Sieben-Tage-Inzidenz in allen Landkreisen und kreisfreien Städten unter 100 gesunken ist.“ Dann nämlich kämen die deutschlandweiten Einschränkungen nicht mehr zur Anwendung „und dann könnte das Bundesverfassungsgericht unseren Eilantrag ablehnen, weil ja keine aktuelle Grundrechtsbeeinträchtigung mehr bestünde“.
„Aussitzen zugunsten der Regierung“
Der Jurist erhob schwere Vorwürfe gegenüber den Verfassungsrichtern: „In dieser Weise den von uns gestellten Eilantrag ‘auszusitzen’, müßte die richterliche Funktion verfehlen. Es wäre ein Aussitzen zugunsten der Regierung.“
Der Staatsrechtler wies darauf hin, seine Verfassungsbeschwerde habe bei Inkrafttreten der Bundes-Notbremse am 23. April bereits dem Ersten Senat in Karlsruhe vorgelegen. Über mehrere andere Eilanträge hatten die Richter seitdem bereits entschieden – sie wurden alle abgelehnt. Allerdings bezogen sich diese auf einzelne Einschränkungen in dem Gesetz. Unter anderem argumentierten die Richter, daß die Nachteile für den Gesundheitsschutz bei Erlaß der Anordnungen größer seien als die Nachteile für die Freiheit der Antragsteller bei einer Ablehnung.
Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen seien verfassungswidrig
„Eine solche Nachteilsabwägung müßte bezüglich unseres Eilantrags anders ausfallen“, zeigte sich Murswiek sicher. Denn bei der Verfassungsbeschwerde ginge es nicht darum, einzelne Maßnahmen der Bundes-Notbremse zu stoppen, sondern durch das jeweils zuständige Gesundheitsamt in einem Stadt- oder Landkreis überprüfen zu lassen, ob die Einschränkungen überhaupt nötig seien, um eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern. Überdies solle der gerichtliche Rechtsschutz in dem jeweiligen Kreis gewährleistet werden.
Bundesregierung und Bundestag hatten im April deutschlandweit geltende Einschränkungen beschlossen, die ab einer Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen in einem Landkreis oder einer Stadt gelten. Unter anderem herrschen dann Ausgangssperren zwischen 22 und 5 Uhr sowie strengere Kontaktbeschränkungen. Laut Murswiek greift diese Bundes-Notbremse allerdings klar in mehrere Grundrechte ein wie das Recht auf Freiheit der Person, das Recht auf Ehe und Familie oder das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. (ls)