STUTTGART. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat die Untersuchung zu einem möglichen Migrationshintergrund bei Tätern der Ausschreitungen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt verteidigt. „Zur Ermittlung gehört ja auch, etwas über den familiären Hintergrund zu erfahren. Das ist Sache der Polizei und am Ende der Staatsanwaltschaft“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Nach den erneuten Krawallen am vergangenen Wochenende war eine Debatte aufgeflammt, in der der Polizei vorgeworfen wurde, sie betreibe „Stammbaumforschung“, um die Abstammung von Tatverdächtigen zu ermitteln. Kuhn kritisierte dies. „Ich finde, daß in der Debatte viel Aufregung steckt. Der Polizeipräsident, mit dem wir seit Jahren gut zusammenarbeiten, hat nicht ‘Stammbaumforschung’ gesagt, das ist inzwischen geklärt. Deshalb rate ich allen, den Ball ein bisschen flacher zu halten.“
In ersten Reaktionen hatte der Stuttgarter Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt: „Mir fehlen immer noch die Worte. Der Polizeipräsident sollte schnell eingestehen, daß er keinen guten Tag hatte, als der den skurrilen Vorschlag gemacht hat, und ihn sofort aus der Welt schaffen. Jeder darf gern Stammbaumforschung über die eigenen Vorfahren in der Freizeit betreiben, aber zu den Aufgaben der Polizei gehört es in Deutschland aus guten Gründen nicht mehr.“
Esken löscht Tweet
Das Mitglied des Innenausschusses des Bundestages, Irene Mihalic (Grüne), bezeichnete es auf Twitter als „eines Rechtsstaates unwürdig“, wenn der Migrationshintergrund von Verdächtigen und deren Eltern ermittelt werde.
SPD-Chefin Saskia Esken hatte sich laut Spiegel zunächst „verstört“ über die Ermittlungsarbeit der Polizisten gezeigt. Ihr Tweet war kurz darauf nicht mehr zu finden.
„Was in Stuttgart läuft, ist stinknormale Polizeiarbeit“
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, hatte der Polizei gegenüber dem Spiegel Rassismus vorgeworfen und einen sofortigen Stopp der Untersuchungen zum Familienhintergrund der Verdächtigen gefordert. Nachdem bekannt geworden war, daß der Begriff „Stammbaumforschung“ nie verwendet wurde, ruderte er zurück. Er beharrte jedoch darauf, Standesamtabfragen und die Feststellung der Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen seien „nichtsdestotrotz kein normales polizeiliches Vorgehen“, wie er auf Twitter schrieb.
Zustimmend zum Vorgehen der Sicherheitsbehörden äußerten sich Bundestagsabgeordnete der Union. Der Christdemokrat Armin Schuster betonte gegenüber der Bild-Zeitung: „Was in Stuttgart läuft, ist bei der Schwere der Taten stinknormale Polizeiarbeit.“ Sein Fraktionskollege Michael Kuffer (CSU) setzte darauf, daß so geklärt werden könne, „ob Familienbanden oder etwa Antifa-Gruppen in Stuttgart im Hintergrund die Fäden gezogen haben könnten. Da kann der Blick ins Stammbuch hilfreich sein“. (ag)