BERLIN. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Kritik an dem Polizeieinsatz bei den „Querdenken“-Protesten am Sonnabend in Leipzig zurückgewiesen. „Wir müssen damit aufhören, die Taktik der Polizei im Nachhinein ohne Kenntnis von Details ohne vollständiges Bild per Ferndiagnose zu hinterfragen“, teilte Seehofer am Sonntag abend mit.
Alle Beteiligten, die Versammlungsbehörden, die Polizei und die Gerichte müßten im Lichte der Corona-Pandemie verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Der CSU-Politiker verwies auf das Versammlungsrecht, das gewährleistet werden müsse, „erst recht in der Krise“. Die Polizei habe seine volle Rückendeckung.
Böller- und Steinwürfe
Polizei und Verwaltungsbehörden stehen wegen der Demonstration der „Querdenken“-Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen in der Kritik. Viele Teilnehmer hatten keine Masken getragen. Außerdem seien die Demonstranten nicht daran gehindert worden, in die Innenstadt zu ziehen, obwohl die Kundgebung aufgelöst worden war und nur stationäre Veranstaltungen zugelassen waren.
Überdies seien Polizisten mit Böllern und Flaschen angegriffen worden. Die Journalistengewerkschaft DJU kritisierte, daß mehrere Berichterstatter nicht nur von Demonstranten, sondern auch von der Polizei attackiert oder an ihrer Arbeit gehindert worden waren.
FDP fordert Konsequenzen
Die FDP forderte am Montag die Innenministerkonferenz auf, sich in ihrer nächsten Sitzung mit den Vorgängen in Leipzig und möglichen Konsequenzen zu befassen. „Die Innenministerkonferenz sollte ein Konzept erarbeiten, wie zukünftig sichergestellt werden kann, daß solche Demonstrationen mit einer ausreichenden Anzahl von Beamten begleitet werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der Rheinischen Post.
Es müsse nun schnell geklärt werden, warum die Polizei nicht konsequent gegen die Angriffe auf Journalisten und die Nichteinhaltung der Auflagen vorgegangen sei, forderte Thomae.
Polizeiführung verteidigt Vorgehen
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Sonntag angekündigt, er wolle prüfen lassen, ob die Corona-Schutzverordnung dahingehend geändert werden könne, solche Demonstrationen künftig zu verhindern. Die Grünen, die zusammen mit CDU und SPD die Landesregierung bilden, forderten den Rücktritt von Innenminister Roland Wöller (CDU).
Die Polizei hatte ihr Vorgehen verteidigt. Der Einsatz habe drei Ziele gehabt: den friedlichen Verlauf zu gewährleisten, mögliche Gewalttaten zu verhindern und den Infektionsschutz durchzusetzen, sagte Leipzigs Polizeipräsident Thorsten Schultze in einem Video. Die ersten beiden Ziele seien weitgehend erreicht worden, das dritte Ziel nicht. Gewalt einzusetzen sei aber „nicht angezeigt“ gewesen. „Man bekämpft eine Pandemie nicht mit polizeilichen Mitteln, sondern nur mit der Vernunft der Menschen.“ (ls)