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Die Zukunft des Föderalismus: „Dann können wir den Laden zumachen“

Die Zukunft des Föderalismus: „Dann können wir den Laden zumachen“

Die Zukunft des Föderalismus: „Dann können wir den Laden zumachen“

Bundesverfassungsgericht
Bundesverfassungsgericht
Peter Huber, Richter am 2. Senat am Bundesverfassungsgericht Foto: picture alliance/ dpa
Die Zukunft des Föderalismus
 

„Dann können wir den Laden zumachen“

Der föderalistische Staatsaufbau ist eines der Kernelemente des Grundgesetzes. Dennoch haben sich seit Gründung der Bundesrepublik die Gewichte immer mehr in Richtung Zentralismus verschoben. Darin sieht Verfassungsrichter Peter Huber eine Gefahr auch für Freiheit und Demokratie.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Dem Föderalismus in Deutschland geht es nicht gut. Egal ob in der Bildungspolitik, im Polizeirecht oder zuletzt in der Zuständigkeitsfrage bei Abschiebungen: Die wenigen verbliebenen Rechte der Länder sind unter Beschuß.  Der Befund von Verfassungsrichter Peter Huber an diesem Donnerstag abend in der Volkshochschule Erding ist eindeutig: „Das Gewicht hat sich seit 1949 immer mehr zugunsten des Bundes und zu Lasten der Länder verschoben.“ Schuld haben daran für den in München geborenen Juristen auch Landespolitiker, die sich Selbstbestimmungsrechte allzu bereitwillig abkaufen lassen.

Die Frage sei, was man wolle: kurzfristige Vorteile durch Finanzhilfen des Bundes, etwa in der Bildungspolitik oder Freiheit und Selbstbestimmung. Ein solch „institutionelles Denken“ sei den Politikern aber nicht beizubringen, stellt er desillusioniert fest.

„Die Deutschen waren Aufmarschgebiet und hilflos“

„Prinzipientreue hammer scho, aber blöd simmer ned“, zitiert er dazu aus einem privaten Gespräch mit dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. „Wer zahlt, schafft an“, so Hubers Warnung vor Kompetenzaneignungen des Bundes über den Weg des Scheckbuchs. „Der Föderalismus hängt von Voraussetzungen ab, die im Einzelfall auch etwas kosten“, mahnt der Richter am Zweiten Senat in Karlsruhe.

Dabei ist Huber für eine klare Linienziehung. Eingriffe, auch freiwilliger Natur, in die letzten verbliebenen Domänen der Länder wie etwa durch die Kultusministerkonferenz, die sich um einheitlichere Strukturen in der Bildungspolitik bemüht, lehnt er ab. „Die Kultusministerkonferenz führt zu Unitarisierung.“ Dies sei ein „struktureller Widerspruch zur Länderzuständigkeit“. Seine Warnung: Wenn die Schulpolitikpolitik eines Tages nicht mehr bei den Ländern liege, „dann können wir den Laden zumachen“.

Allerdings sind es auch ungute Erfahrungen mit föderalistischen Strukturen, die dem früheren thüringischen Innenminister zufolge zur zentralistsichen Versuchung beigetragen haben. Hier erwähnt Huber den 30jährigen Krieg und die Auflösungserscheinungen des Heiligen Römischen Reichs im ausgehenden 18. Jahrhundert. „Die Deutschen waren Aufmarschgebiet und hilflos.“ Auch deshalb werde Deutschland Frankreich immer ähnlicher. „Wenn in Schleswig-Holstein ein Kind von einem Hund gebissen wird, wollen die Menschen ein bundeseinheitliches Hundegesetz“, stellt er ernüchtert fest.

Merkel kann nicht durchregieren wie Macron

Fragwürdig ist dagegen Hubers Feststellung, daß es ein Streben zur Zentralisierung wie in Deutschland in anderen föderalistisch geprägten Staaten wie etwa den USA nicht gebe. Im Gegenteil: Auch in den USA geht der Trend seit dem 20. Jahrhundert trotz vergleichsweise größerer Rechte der einzelnen Bundestaaten immer stärker Richtung Zentralismus. Beispiele dafür sind etwa die Einführung einer bundesweiten Einkommenssteuer, die Volkswahl der Senatoren und immer neue Verordnungen aus Washington, ohne daß die Zentralregierung Regelungskompetenzen hätte. In den USA klafft ähnlich wie in Deutschland eine Lücke zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit.

Auch in einem weiteren Punkt ist Hubers Analyse zweifelhaft. Es sei dem Föderalismus geschuldet, daß es in Deutschland anders als in Spanien oder Frankreich keine separatistischen Bewegungen gebe. Nun könnte man widersprechen, daß in den 50ern, als der Föderalismus noch viel ausgeprägter war, die Länder noch wesentlich mehr Kompetenzen hatten als heute, etwa die nach Eigenstaatlichkeit strebende Bayernpartei ein wichtiger Faktor in der bayerischen Politik war, der trotz der Kompetenzverschiebung hin zum Bund aber nicht stärker, sondern schwächer wurde. Und die autonomen Regionen in Spanien haben in Wirklichkeit mittlerweile Kompetenzen, die über die De-facto Zuständigkeiten der deutschen Länder hinausgehen.

CSU und Bayernpartei setzen sich für Föderalismus ein

Trotz allem Pessimismus ermuntert Huber dazu, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Man müsse vielmehr im Freundes- und Bekanntenkreis über die Stärken des Föderalismus reden, den er als „Garantie für Freiheit“ preist. Gerade die vertikale Gewaltenteilung führe dazu, daß etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), anders als Emmanuel Macron in Frankreich, nicht einfach durchregieren könne. Sein Fazit: „Man müßte den Föderalismus erfinden, wenn es ihn nicht gäbe.“

Nur was bedeutet das parteipolitisch? Wo kann sich ein Bürger, dem Länderrechte und Föderalismus am Herzen liegen eigentlich engagieren, will ein Zuschauer wissen. Hierauf gibt Huber keine konkrete Antwort. Man solle sich Mitstreiter suchen und für die Sache kämpfen. In jeder Partei gebe es Mitglieder, die sich für den Föderalismus einsetzten, am wenigsten bei der Linkspartei, sehr viele dagegen bei der CSU – und am meisten bei der Bayernpartei, fügt er hinzu.

Peter Huber, Richter am 2. Senat am Bundesverfassungsgericht Foto: picture alliance/ dpa
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