GERA. Die Wahl eines AfD-Politikers zum Vorsitzenden des Geraer Stadtrates hat heftige Kritik ausgelöst. Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, bezeichnete am Freitag den Vorgang als „verheerendes Signal“, der „Überlebenden von Auschwitz wie Hohn in den Ohren klingen“ müsse. Wenn Stadtverordnete einen Vertreter der AfD zu ihrem obersten Repräsentanten wählten, sei das „ein Zusammenbruch an Glaubwürdigkeit und eine Destabilisierung der Demokratie“, sagte der Schriftsteller. Für Holocaust-Überlebende sei dies „schlichtweg unvorstellbar“.
Die Thüringer Landeschefin der Linkspartei, Susanne Hennig-Wellsow, erhob Vorwürfe gegen die CDU. „Wie kann eine demokratische Partei, die sie sein wollen, immer wieder Handlanger einer extrem rechten Partei sein?“ Dies müsse die CDU nun erklären. Ähnlich äußerten sich SPD-Politiker. Der CDU-Landesvorsitzende Christian Hirte wies dies zurück: „Die CDU hat sich in der Fraktion klar darauf verständigt, den AfD-Kandidaten nicht zu wählen. Genau so ist es? auch erfolgt.“
Der Geraer Stadtrat hatte am Donnerstag abend den AfD-Politiker Reinhard Etzrodt zu seinem Vorsitzenden gewählt. Der Arzt im Ruhestand erhielt 23 von 40 Stimmen. Nötig waren 20 Stimmen. Die AfD verfügt in dem Kommunalparlament allerdings nur über zwölf Plätze, was bedeutet, daß auch Abgeordnete anderer Parteien für Etzrodt votiert hatten.
15 Monate langer Streit
Der Wahl war ein monatelanger Streit über die Satzung zu dem Amt vorausgegangen. Den Regeln zufolge hat die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für den Stadtratsvorsitz. Seit der Kommunalwahl im Mai vergangenen Jahres ist dies die AfD, die damals 28,8 Prozent der Stimmen gewann. Das Landesverwaltungsamt kritisierte diesen Passus kurz vor der ersten Sitzung nach der Wahl. 15 Monate lang mußte deshalb Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) die Sitzungen leiten.
Etzrodt zeigte sich nun zufrieden, in das Amt gewählt worden zu sein. „Es ist sicher ein Novum, daß in einer größeren Stadt der Vorsitzende des Gemeinderates ein AfD-Mitglied ist“, sagte er laut der Nachrichtenagentur dpa nach seiner Wahl. (ls)