BERLIN. Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, ist laut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier längst entschieden. Die Millionen Moslems, die in der Bundesrepublik lebten, lieferten hierauf die Antwort, sagte Steinmeier am Dienstag bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Glauben im Schloß Bellevue.
Die Frage laute vielmehr, welcher Islam zu Deutschland gehöre. „Wie sieht eine islamische Lehre und Glaubenspraxis aus, die mit dem Leben in einer modernen, pluralistischen Gesellschaft im Einklang steht“, fragte der Bundespräsident und bot gleich einen Teil der Antwort: „Die Förderung von Kinderehen oder die Mißachtung von Frauenrechten tun es sicher nicht!“
„Den Islam, der zu Deutschland gehört, gibt es längst“
Die Frage nach der richtigen Glaubenspraxis könnten nur die Gläubigen selbst beantworten. „Und sie tun das, täglich, millionenfach, all die Musliminnen und Muslime, die unsere Mitbürger und Mitbewohner sind, die arbeiten, Steuern zahlen, Kinder erziehen, sich engagieren und dieses Land mit gestalten“, lobte der Präsident. „Den Islam, der zu Deutschland gehört, gibt es längst, millionenfach gelebt!“
Den Christen riet Steinmeier, gegenüber Moslems nicht zur Überheblichkeit zu neigen. „Es steht uns Christen gut an, uns daran zu erinnern, wie lange es gebraucht hat, bis die Kirchen ein positives Verhältnis zum modernen Verfassungsstaat gefunden haben“, mahnte er. „Wie lange Homosexualität buchstäblich verteufelt wurde. Ja, und auch die ersten Frauenordinationen in den evangelischen Kirchen liegen noch nicht so lange zurück.“
Abdel-Samad kritisiert Steinmeiers Gratulation an den Iran
Bei der Veranstaltung kam es auch zu einem Disput über die Gratulation Steinmeiers an den Iran zum 40. Jahrestag der Islamischen Revolution. In seiner Rede hatte Steinmeier zunächst die Glückwünsche an das Mullah-Regime noch einmal gerechtfertigt. „Beschränken wir uns gegenüber Staaten, mit denen wir im Konflikt leben, auf Abbruch und Isolierung? fragte Steinmeier rhetorisch. „Oder versuchen wir, auch im Konflikt, Zugangs- und damit Gesprächsmöglichkeiten zu erhalten?“
Es brauche beides: „Bereitschaft zu Kritik und offener Kontroverse, aber wenn wir gehört werden wollen, auch das Bemühen, den Gesprächsfaden nie völlig abreißen zu lassen!“ Dies stieß dem ebenfalls im Schloß Bellevue anwesenden Publizisten und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad sauer auf. „Nicht in meinem Namen!“ sagte er bei der anschließenden Debatte mit Bezug auf Steinmeiers Glückwünsche, die er „auch im Namen meiner Landsleute“ ausgesprochen hatte, berichtet die Bild-Zeitung.
„Sie haben die falschen Signale gesendet an das Regime im Iran und an die eigenen Leute in Deutschland haben Sie das Signal gesendet, daß wir unsere eigenen Werte nicht erst nehmen“, beklagte Abdel-Samad. Anschließend wiederholte er: „Nicht in meinem Namen!“ Steinmeier antwortete darauf: „Schade, daß Sie meiner Rede nicht zugehört haben.“ (krk/tb)