BERLIN. Ein geplantes Gesetz gegen Haß im Netz ist auf scharfe Kritik gestoßen. Laut dem jüngsten Entwurf der Regelung „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Haßkriminalität“ aus dem Bundesjustizministerium kann der Staat Internetunternehmen wie Google, Facebook oder E-Mail-Anbieter dazu zwingen, die Paßwörter von Kunden herauszugeben, ohne daß die Nutzer davon erfahren.
Die Grünen-Rechtspolitikerin Renat Künast mahnte, die Bundesregierung wähle im Kampf gegen Rechtsextremismus Mittel, „die bedenklich tief in die Bürgerrechte eingreifen“. Sie sei zwar erleichtert, daß das Thema in den Fokus der Behörden komme, sagte Künast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Der Gesetzesentwurf werfe aber auch Fragen auf. „Soll hier unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus nun von den Sicherheitsbehörden Zugang zu Informationen erlangt werden, die man immer schon wollte?“ Die geplante Ausdehnung vor allem auf Paßwörter sei technisch wie verfassungsrechtlich zweifelhaft.
„Rechtsstaatlich untragbare Methoden“
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, sprach gegenüber dem Handelsblattvon einem „katastrophalen Zeichen für die Bürgerrechte und die IT-Sicherheit“. Mit dem geplanten Gesetz werde „das Bundesjustizministerium seiner Rolle als Verfassungsministerium nicht gerecht“. Schon das Bundesinnenministerium sei von der Union geführt. „Kein Mensch braucht ein Justizministerium, das sich bei Sicherheitsgesetzen nicht gegen die schwarzen Sheriffs durchsetzen kann.“
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber schrieb auf Twitter, er werde den Entwurf nach der rechtlichen Prüfung kommentieren. „Sollte es Idee einer Paßwortherausgabe – und noch dazu ohne Richterbeschluß – geben, würde uns das sicherlich auf den Plan rufen.“
„Erneut werden rechtsstaatlich untragbare Methoden angewandt, um gegen Straftaten im Internet vorzugehen. Wenn die Bürger schon im Vorfeld wissen, daß selbst ein nur vermeintlich anstößiger Facebook-Beitrag bereits zur Herausgabe von Paßwörtern führen kann, dann werden Manche ihre Aktivitäten in sozialen Netzwerken sicherheitshalber komplett einstellen“, warnte die digitalpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Joana Cotar.
Überdies könnte die Kennwortabfrage laut Süddeutscher Zeitungmit der Datenschutzgrundverordnung in Konflikt geraten. Denn die verlangt, daß Anbieter etwa von Cloud-Diensten wie Google Drive Kennwörter nicht unverschlüsselt, also im Klartext speichern dürfen, sondern verschlüsselt. Dasselbe gelte für die Sperrcodes von Handys. Diese seien normalerweise nur auf den Geräten und nicht auf den Unternehmensservern gespeichert.
Entwurf sieht noch weitere Verschärfungen vor
Der Entwurf aus dem Justizministerium sieht noch weitere Verschärfungen vor. Der Tatbestand „Billigung von Straftaten“ soll erweitert werden, damit nicht nur bestraft wird, wer begangene Taten anerkennt, sondern auch kriminelle Taten, die noch nicht begangen worden sind, also fiktiv sind.
Überdies plant Ministerin Christine Lambrecht (SPD) Änderungen beim Paragraphen gegen Bedrohungen. Bislang ist nur die Drohung mit einem Verbrechen strafbar – rechtswidrige Taten, die mit mindestens einem Jahr Haft bestraft werden. In Zukunft sollen auch Drohungen mit weniger schwerwiegenden Gewaltdelikten geahndet werden können. Auch das Drohen, Gewalt gegen Sachen wie etwa Autos anzuwenden, soll strafbar werden.
Bereits am vergangenen Freitag hatte der Bundestag eine Waffenrechtsverschärfung unter anderem im Kampf gegen Rechtsextremismus beschlossen. Fortan müssen angehende Waffenbesitzer beim Verfassungsschutz durchleuchtet werden. Wer Mitglied eines verfassungsfeindlichen Vereins ist, erhält keine Waffenbesitzerlaubnis. (ls)