Die Empörung war groß: Die Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu-Antonio-Stiftung hatte eine Broschüre herausgebracht, in der es um Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Rassismus in Kindergärten ging. Darin wurden unter anderem Fallbeispiele konstruiert und Erziehern Tips gegeben, wie sie in solchen Situationen reagieren sollten.
Ein Beispiel handelte von „Kindern aus völkischen Elternhäusern“. Die beiden Autorinnen – Esther Lehnert und Heike Radvan – wußten zu berichten, daß solche Kinder besonders zurückhaltend seien und wenig von zu Hause erzählten. Es gebe keine sogenannten Disziplinprobleme mit ihnen. Im Gegenteil, die Kinder schienen „besonders ‘gut zu spuren’“.
Doch damit nicht genug: Es seien auch traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen erkennbar. Das bedeute: „Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-km-Lauf absolviert haben.“ (In einer früheren Form des Beispiels aus dem Jahr 2016 war es noch ein „5-km-Lauf“, was einiges über die Kenntnis von Kindergartenkindern der beiden Autorinnen aussagt.) So weit, so holzschnittartig.
Stiftung wittert Kampagne
Nachdem Kritik an der Handreichung aufkam, der Vorwurf laut wurde, die Amadeu-Antonio-Stiftung betreibe Gesinnungsschnüffelei im Kindergarten und die CDU gar forderte, die Broschüre einzustampfen, witterten die Verantwortlichen der Handreichung eine Kampagne. „Rechtspopulistische ‘Alternativmedien’“ hätten gezielte Falschinterpretationen verbreitet, die von Massenmedien und Politik ungeprüft übernommen und skandalisiert worden seien. „Nirgendwo werden Mädchen mit Zöpfen unter generellen Rechtsextremismus-Verdacht gestellt“, schrieb die Stiftung in einer Stellungnahme.
Doch ist das so? In dem Beispiel werden die Zöpfe des Mädchens sowie die Kleider, die es trägt, als klarer Hinweis auf einen Erziehungsstil mit traditionellen Geschlechterrollen präsentiert. Und der wiederum ist dem „rechtsextremen völkischen Elternhaus“ geschuldet, dem es entstammt. Auffallend ist zudem, daß die Autorin des Textes, Heike Radvan, besonders brave Mädchen mit Zöpfen nicht zum ersten Mal unter Rechtsextremismusverdacht stellt.
Unter dem Titel „Gefahr von rechts“ warnte sie bereits 2016 als „Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu-Antonio-Stiftung“ in der Apothekenrundschau: „Kinder rechter Eltern sind nicht unbedingt anders als Kinder anderer Eltern. Sie fallen manchmal erst nach längerer Zeit auf, zum Beispiel weil sie sehr still oder sehr gehorsam sind.“
Radvan selbst trägt Kurzhaarfrisur
Ihr sprang damals in der Apothekenrundschau die Berliner Diplom-Sozialarbeiterin Eva Prausner bei, die berichtete: „Gehören die Eltern bestimmten rechten Organisationen an, fallen deren Töchter zum Beispiel durch akkurat geflochtene Zöpfe und lange Röcke auf.“ In der Handreichung der Amadeu-Antonio-Stiftung taucht Prausner nun erneut als Interview-Expertin zum Thema auf.
Genderwissenschaftlerin Radvan hingegen, die selbst eine Kurzhaarfrisur trägt, scheint sich in das Zopf-Thema regelrecht verrannt zu haben. 2012 gab sie der Zeit ein Interview zum Thema „rechtsextreme Erziehung“. Und auch damals machte sie geflochtenes Haar als Indiz für Kinder rechter Eltern aus. „In den völkischen – das heißt natur- und kultorientierten – Familien“, erläuterte Radvan, „tragen die Mädchen oft ausschließlich Kleider und Zöpfe“.
Und auch in einer Broschüre des Vereins »Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V.« über „Frauen und Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern“ aus dem Jahr 2015 findet sich das Nazi-Zopf-Klischee. Dort heißt es über „extrem rechts sozialisierte Kinder“: „Sie bekommen von ihren Eltern frühzeitig Gehorsam und Pflichtbewußtsein beigebracht und auch traditionelle Geschlechterrollen sind Teil der Erziehung: Mädchen tragen Kleider und Zöpfe und werden zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, Jungen werden stärker körperlich gedrillt.“
Finanziert wurde die Broschüre durch Gelder des Landesarbeitsministeriums. Verantwortlich für den Inhalt auch damals: Radvan und die Amadeu-Antonio-Stiftung.