BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die gemeinsamen Interessen beider Länder hervorgehoben. „Wir haben vieles, was uns eint“, betonte sie. Da gebe es beispielsweise die Nato, den Kampf gegen den Terrorismus und das Thema Einwanderung. „Deutschland hat ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei“, sagte sie mit Blick auf den Kursverfall der türkischen Lira.
Gleichzeitig versprach Merkel, sich weiter für die Freilassung inhaftierter Deutscher in der Türkei einzusetzen. „Ich habe darauf gedrängt, daß auch diese Fälle möglichst schnell gelöst werden können.“ Zudem gebe es „tiefgreifende Differenzen“ mit der Türkei bei den Themen Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit.
Erdogan mit militärischen Ehren empfangen
Erdogan forderte bei der Pressekonferenz erneut die Auslieferung von hochrangigen in Deutschland lebenden Gülen-Mitgliedern, die er für den Putschversuch vor zwei Jahren verantwortlich macht. Rechtsstaatliche Bedenken wies er zurück. Die türkische Justiz sei unabhängig.
Während der Pressekonferenz wurde der türkische Journalist Ertugrul Yigit von Sicherheitsleuten abgeführt. Er hatte ein T-Shirt mit der Aufschrift „Pressefreiheit für Journalisten in der Türkei“ getragen. Yigit rief „Ich habe nichts getan“, während er aus dem Saal gebracht wurde. Er war für die Pressekonferenz ordnungsgemäß akkreditiert.
Am Freitag morgen war Erdogan von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloß Bellevue mit militärischen Ehren empfangen worden. Für den Abend ist dort auch ein Staatsbankett geplant. Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir hält den Empfang in dieser Form für falsch. „Da habe ich doch ein großes Fragezeichen“, sagte Özdemir der Nachrichtenagentur AFP.
„Kein Ausdruck von Normalisierung“
Steinmeier relativierte die Ehren für Erdogan. Dessen Besuch sei „kein Ausdruck von Normalisierung. Davon sind wir weit entfernt.“ Deutschland erwarte „die Rückkehr der Türkei zu rechtsstaatlichen Verhältnissen“, sagte Steinmeier vor Erdogans Ankunft den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Bereits vor dem Besuch hatte die türkische Regierung der Bundesregierung eine Liste mit 69 Namen übergeben. Ankara verlangt laut einem Bericht der regierungsnahen Zeitung Yeni Asir die Auslieferung dieser Personen. Darunter befindet sich auch der frühere Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, der vor mehr als zwei Jahren noch Deutschland floh und seitdem hier im Exil lebt.
Dündar war wegen eines Artikels zu Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts nach Syrien zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Ursprünglich hatte Dündar angekündigt, an der Pressekonferenz als Journalist teilnehmen zu wollen und Erdogan mit kritischen Fragen zu konfrontieren. Nachdem die türkische Regierung deswegen mit einer Absage gedroht hatte, gab er das Vorhaben auf, berichtete die Bild-Zeitung. (tb)