Irgendwann – mit 15 oder 16 Jahren – muß Philipp Amthor beschlossen haben, Politiker zu werden. Zehn Jahre später hat er sein Ziel erreicht. Er sitzt als jüngster Wahlkreisabgeordneter (Mecklenburgische Seenplatte I – Vorpommern-Greifswald II) für die CDU im Bundestag. „Merkels Bubi“ wird er genannt, was den 25 Jahre alten Juristen nicht ganz richtig beschreibt, denn der Bub hat sich als „durchschlagskräftige Waffe gegen die Herausforderungen von Rechtsaußen“ (FAZ) bereits einen gewissen Ruf erarbeitet. Für die Welt gilt er sogar als der „junge Konservative aus der Zukunft“.
Aber zunächst zurück in die Vergangenheit: 1992 wurde Amthor in Ueckermünde geboren. Schon in der Schule, am dortigen Greifen-Gymnasium, wurde ein Hang zum Amt sichtbar: Amthor war Schülersprecher und Landesschülersprecher. Mit 16 Jahren trat der Enkel eines NVA-Soldaten der CDU bei, wo fortan seine Welt von Delegiertenversammlungen und Hinterzimmern bestimmt wurde. Seit 2010 geht es auf dem CDU-Karrieretreppchen ständig aufwärts.
Er kann auch Intrigen spinnen
Parallel zur politischen Laufbahn begann Amthor ein Studium der Rechtswissenschaft an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald. 2017 machte er, in der Studienzeit gefördert mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Studienabschluß mit Prädikat. Der Politik blieb er auch während der Uni-Zeit verbunden.
Im Lebenslauf gibt er an, nebenberuflich Mitarbeiter verschiedener Abgeordneter gewesen zu sein. Damit hat Amthor eine für die heutige junge Politiker-Generation fast typische Laufbahn hingelegt, deren wichtigste Stationen Spötter mit „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ beschreiben. Werkshallen oder Baustellen sind dieser Generation nur von Besichtigungen bekannt. Unter anderem arbeitete Amthor im Büro des CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Lietz.
Und auf einmal zeigte sich, daß der Bub auch ganz schön bissig sein und Intrigen spinnen kann. Der Hinterbänkler mußte feststellen, daß ausgerechnet sein früherer Mitarbeiter unauffällig Mehrheiten im Wahlkreis gegen den ihn organisiert hatte. „Lietz ist hintergangen worden“, bestätigte der Vorsitzende der Anklamer Senioren-Union, Wolfgang Krüger. Und Anklams Ex-Bürgermeister Wolfgang Stifft erklärte, Amthor sei „ein junger Spritzer, der muß noch reifen“.
„Die Kleidung muß der Würde des Amtes entsprechen“
Zeit zum Reifen hat Amthor jetzt im Bundestag. Er gewann die Nominierung und im Herbst 2017 auch den Wahlkreis mit 31,2 Prozent. Lietz hatte vier Jahre zuvor noch 45,9 Prozent bekommen. Aber gewählt ist gewählt, und nach den Prozenten fragt kein Mensch mehr, wenn man erst einmal in Berlin angekommen ist und als „Herr Bundestagsabgeordneter“ angeredet wird.
Was macht ein 25jähriger Neuling in einer Fraktion mit so vielen altgedienten Profis, wo man frühestens nach drei Legislaturperioden was Anständiges werden kann? Man baut sich als extravagante Marke auf. Genauso wie Jens Spahn muß Amthor überlegt haben, wie er am besten an der großen Herde vorbei nach oben kommt.
Da wäre zunächst das Outfit: Amthor trägt Hornbrille, etwas größer als die von Alexander Dobrindt oder Andreas Scheuer. Während die CSU-Politiker sich gerne leger geben und auf Krawatten verzichten, tritt Amthor stets im dunklen Anzug mit Krawatte auf, ein schwarz-rot-goldener Anstecker ziert das Revers. „Die Kleidung muß der Würde des Amtes entsprechen“, begründet der junge CDU-Mann seine Textileinkäufe, die er gewiß nicht bei der Billig-Kette Primark tätigt.
Am liebsten hört er Wagner
Dort sollen andere einkaufen: Juso-Chef „Kevin Kühnert trägt selbst bei seriösen Veranstaltungen immer Turnschuhe und Kapuzenpullover und beschwert sich dann, daß er nicht ernst genommen wird.“ Wenn Amthor dann noch verrät, daß er am liebsten Wagner hört, wirkt er allerdings wie aus der Zeit gefallen.
Inhaltlich ist klar: Wer was werden will, muß auffallen, indem er von der großen Linie oft leicht abweicht, aber wenn es darauf ankommt, sofort wieder in Reih‘ und Glied steht. Spahn ist so ein Fall, Jürgen W. Möllemann war der Urvater solchen Taktierens. Da in der CDU fast alle auf der linken Mitte stehen, ist die rechte Flanke frei, was der junge Amthor zu nutzen versteht, indem er sich als konservative Marke installierte. Das zieht in der CDU, die so viele Wähler nach rechts verliert.
Für Amthor ist konservativ „keine Frage des Alters“. Mag der Begriff auch staubig sein, so stelle sich bei zunehmender Individualisierung die Frage, „was uns zusammenhält. Und diese Frage kann man durchaus als junger Politiker besetzen.“ Amthor besetzt diese Frage im Innenausschuß des Bundestages. Im Plenum machte er sich einen Namen als heftiger Kritiker der AfD, indem er einen Antrag zum Burka-Verbot (für das er auch ist) rhetorisch gekonnt zerpflückte.
Er half Merkel im Wahlkampf
In der Affäre um gekaufte Asylbescheide las man, Amthor sei wie die Opposition für einen Untersuchungsausschuß. Dabei hatte er nur gesagt, man müsse „ganz klar darüber reden“. Gegen die Homo-Ehe war er auch. Die Kanzlerin kennt Amthor lange. Schon mit 16 half er mit in ihrem Wahlkampf. Wenn die Rede auf Merkel kommt, strahlen die Augen hinter der Hornbrille bewundernd. Dann ist er der handzahme „Bubi“ für „Mutti“.
JF 31/18