BERLIN. Der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Ralph Brinkhaus ist neuer Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Er setzte sich in der geheimen Wahl am Dienstag überraschend gegen Amtsinhaber Volker Kauder (CDU) durch. Für Brinkhaus, der bereits stellvertretender Fraktionschef war, votierten 125 Abgeordnete. Auf Kauder entfielen 112 Stimmen.
Kauder hatte sich als Favorit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Wiederwahl gestellt. Er führte die Fraktion seit 2005. Brinkhaus’ Wahl zum neuen Fraktionschef ist eine empfindliche Niederlage für Merkel. Die CDU-Chefin hatte noch vor der Wahl für Kauder geworben. Jetzt sei nicht die Zeit für personelle Veränderungen in der Fraktion, mahnte sie. Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Olav Gutting kommentierte die Wahl auf Twitter mit den Worten, der Krug gehe so lange zum Brunnen, bis er bricht.
Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht
— Olav Gutting (@olavgutting) 25. September 2018
Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer nannte das Ergebnis gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ein „bewußtes Zeichen für den Aufbruch in der Union“. Die Unabhängigkeit der Fraktion sei durch die Wahl Brinkhaus’ gestärkt.
„Es gab in der letzten Zeit das Gefühl, die Fraktionsführung sei zu eng mit der Regierung und der Kanzlerin verwoben. Die Abgeordneten haben aber das Recht, ernstgenommen zu werden. Auch das wurde mit der heutigen Entscheidung zum Ausdruck gebracht“, sagte Irmer. Unabhängig davon werde die Unionsfraktion auch weiterhin konstruktiv und gut mit der Regierung zusammenarbeiten.
Gleichzeitig betonte Irmer, die Wahl sei keine Entscheidung gegen den Menschen Volker Kauder. Dieser habe sich in der Vergangenheit große Verdienste um die Union erworben. Die Fraktion wolle der Öffentlichkeit aber nun signalisieren, „daß wir verstanden haben und daß es Veränderungen geben wird“.
Bundeskanzlerin #Merkel kommentiert die Wahl von @rbrinkhaus, @CDU als „Stunde der Demokratie“, in der es auch Niederlagen gebe. Sie bietet dem neuen Fraktionschef eine gute Zusammenarbeit an. #Brinkhaus #Kauder #Union pic.twitter.com/7cjQYrzewH
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) 25. September 2018
CSU-Abgeordneter Hoffmann sieht Aufbruchstimmung
Der CSU-Bundestagabgeordnete Alexander Hoffmann sagte der JF: „Ralph Brinkhaus hat Aufbruchsstimmung in die Fraktion gebracht. Seine Wahl ist ein Zeichen von innerer Stärke und beweist, daß sich die Fraktion von innen heraus erneuern kann. Ich begrüße diese personelle Neuausrichtung der Union ausdrücklich. Dies ist ein starkes Signal nach außen – auch bereits in Hinblick auf die nächste Bundestagswahl.“
AfD: Bei uns knallen die Korken
„Sie können sich vorstellen, bei uns knallen die Korken“, kommentierte AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel die Entscheidung. „Die Merkeldämmerung ist eingeläutet.“ Die Niederlage Kauders lasse tief blicken. „Wir wissen alle, daß er der Steigbügelhalter, der Mehrheitsbeschaffer von Frau Merkel gewesen ist.“
Ähnlich äußerte sich auch der Co-Vorsitzende Alexander Gauland. „Es ist ein weiterer Schritt, zum Ende der Regierung Merkel“, sagte er. „Wir werden das Ende viel früher erleben, als wir uns das heute vorstellen.“
Jetzt live: Statement von @c_lindner zu #Brinkhaus und #Kauder: „#Merkel kann sich Unterstützung ihrer eigenen Fraktion nicht mehr sicher sein. Ich empfehle ihr, die #Vertrauensfrage zu stellen, um Führung wieder herzustellen.“ pic.twitter.com/sMMV72NxK1
— Fraktion der Freien Demokraten (@fdpbt) 25. September 2018
FDP-Chef Christian Lindner sieht in der Abwahl Kauders ein Indiz für den wachsenden Widerstand gegen die Kanzlerin. „Merkel kann sich der Unterstützung ihrer Fraktion nicht mehr sicher sein. Ich empfehle ihr, die Vertrauensfrage zu stellen, um die Führung wiederherzustellen.“ Die Wahl Brinkhaus´sei ein Signal der Unzufriedenheit und der Erneuerung zugleich.
Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter bewertet das Wahlergebnis als einen Ausdruck der tiefen Spaltung innerhalb der Unionsfraktion. Die gegensätzlichen Lager innerhalb der Union kämen nicht mehr zu gemeinsamen Lösungen. Die Große Koalition insgesamt sei ein zerstrittener Haufen, sagte er am Dienstag abend in einer Stellungnahme im Bundestag. (krk/ag/ha)