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Moschee-Streit in Erfurt: „Die AfD gehört zu Deutschland wie der Islam“

Moschee-Streit in Erfurt: „Die AfD gehört zu Deutschland wie der Islam“

Moschee-Streit in Erfurt: „Die AfD gehört zu Deutschland wie der Islam“

Moschee-Projekt in Erfurt
Moschee-Projekt in Erfurt
Suleman Malik auf dem Baugrundstück in Erfurt: Minarett so hoch wie eine Straßenlaterne Foto: JF / Ahmadiyya Muslim Jamaat
Moschee-Streit in Erfurt
 

„Die AfD gehört zu Deutschland wie der Islam“

In Erfurt ist ein Streit um den geplanten Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde entbrannt. Während die AfD Proteste organisiert, verteidigt die Gemeinde die Pläne. Eine Reportage von JF-Reporter Lukas Steinwandter.
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Das gleichmäßige Rattern der Straßenbahn übertönt das Zwitschern der Vögel. Aus den Waggons steigen zahlreiche Menschen aus. Ansonsten ist es ruhig vor der Erfurter Universität. Von einigen vorbeifahrenden Autos abgesehen zeugt nichts davon, daß an diesem Freitag normaler Werktag ist. Mit dem Handy am Ohr steigt Suleman Malik aus. Der Erfurter arbeitet eigentlich für die Telekom. Seitdem die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag eine Debatte über einen geplanten Moscheebau im Erfurter Stadtteil Marbach angestoßen hatte, beschäftigt sich der Sprecher der moslemischen Ahmadiyya-Gemeinde fast ausschließlich mit der Bearbeitung von Presseanfragen.

„Die AfD hat durch uns eine völlig neue Facette des Islams kennengelernt“, sagt Malik auf dem Weg zum Grundstück, auf dem in einigen Monaten eine Moschee samt Zierminarett gebaut werden soll. Damit meint er das Treffen mit Parteivertretern vor einigen Tagen. „Es war ein sachliches Gespräch“, resümiert er, doch es gebe deutliche Unterschiede in den Positionen. Alle „demokratischen Parteien“ seien für den Bau.

AfD widerspricht dem Grundgesetz?

Die AfD in Thüringen verstehe er nicht, zumal ihm der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen versichert habe, die Partei hätte nichts auszusetzen an Minaretten. Auf die Frage, warum Malik die AfD nicht zu den demokratischen Parteien zählt, antwortet er: „Die AfD gehört zu Deutschland wie der Islam. Allerdings widerspricht die Partei in einigen Punkten dem Grundgesetz.“ Zum Beispiel bei der Religionsfreiheit, meint der 33 Jahre alte Malik.

Einige hundert Meter hinter dem Universitätskomplex zeigt der Gemeindesprecher auf einer Brücke über der Bundesstraße B4 auf einen schmalen Streifen Grünfläche direkt zwischen dem Parkplatz und der Straße. Dort soll sie entstehen, die Moschee. Derzeit liegt ein Bauvorantrag bei der Stadtverwaltung. Das Gelände gehört einer Tochterfirma des Freistaates Thüringen. In einem halben Jahr könnte der Grundstein gelegt werden. Das 1.800 Quadratmeter große Grundstück liegt in einem Gewerbegebiet. Nebenan sitzen das Technische Hilfswerk, die Dekra und die Erfurter Feuerwehr.

Widerstand in Erfurt organisiert sich

„Die Moschee wird nicht größer als zwei Einfamilienhäuser“, sagt Malik, „viel kleiner als das hier“ und zeigt auf das graue Gebäude des THW.  „Das Minarett wird nicht viel höher als diese Straßenlaterne“, entgegnet er auf die Vorwürfe des parlamentarischen Geschäftsführers der AfD-Thüringen, Stefan Möller, der geplante Bau bedeute einen „deutlichen Bruch mit thüringischen Traditionen“. Die Ahmadiyya-Gemeinde in Thüringen zählt rund 70 Mitglieder. Für genauso viele Personen soll in dem Gebäude Platz sein. Die Baukosten schätzt die Gemeinde auf rund 450.000 Euro. Die Summe stehe durch Spendengelder bereits zur Verfügung.

Doch im rund 200.000 Einwohner zählenden Erfurt regt sich Widerstand. Der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke bezeichnete den geplanten Bau als „Teil eines langfristigen Landnahmeprojekts“. In der vergangenen Woche organisierte die Partei eine Demonstration gegen den Moscheebau. Die Polizei zählte 700 Teilnehmer, die AfD 1.500.  „Der geplante Bau ist Teil eines Missionsprojekts, und das gefällt den Leuten hier nicht“, sagt die religionspolitische Sprecherin der thüringischen AfD-Fraktion, Corinna Herold.

Glaube an die bevorstehende Vorherrschaft des Islam

Die Mitglieder der sich als reformatorisch bezeichnenden Ahmadiyya-Gemeinde glauben an die bevorstehende Vorherrschaft des Islam. Ihr vierter Kalif Mirza Tahir Ahmad rief 1989 das „100-Moscheen-Projekt“ aus, wonach in Deutschland 100 moslemische Gebetshäuser errichtet werden sollen. Mit „Vorherrschaft“ meint die Gemeinschaft keine gewaltsame Eroberung, sondern die theologische Stärke und Überlegenheit des Islam, sagt Malik. „Jetzt sind die Anwohner gefragt“, konstatiert Herold, sie müßten jetzt eine Bürgerbefragung initiieren. „Der Islam ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“

Dabei hat die Gemeinde auch Anknüpfungspunkte an den sich betont nationalistisch gebenden Flügel der AfD in Thüringen. Malik weist auf die Broschüre „Muslime für Frieden, Freiheit, Loyalität“ hin. Die Hintergrundfarbe des Papiers ist azurblau. Eine Deutschland-Fahne weht stolz auf der ersten Seite. Darunter steht: „Die Liebe zum Land ist Teil des Glaubens.“ Ein Satz, den wohl auch Björn Höcke unterschreiben könnte.

„In meinem Bekanntenkreis ist niemand für die Moschee“

Der Begründer der seit 1889 bestehenden Ahmadiyya-Gemeinde, Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad, sagte: „Ein wirklicher Muslim, dem die Lehren seines Glaubens bewußt sind, wird sich immer aufrichtig und loyal dem Land gegenüber verhalten, unter dessen schützendem Schatten er in Frieden lebt. Der Glaubensunterschied hält ihn nicht davon ab, seiner Regierung in Treue verbunden zu sein.“

Zurück auf dem Universitätsgelände. „Ich war schon mehrmals in den Vereinigten Arabischen Emiraten“, sagt eine Rentnerin, schwarz gefärbte Haare, die Augenlider türkisfarben geschminkt. Sie kommt gerade vom Erfurter Kolleg, einer Vorlesungs- und Diskussionsreihe zu aktuellen Themen. „In meinem Bekanntenkreis gibt es keinen, der für den Bau der Moschee ist“, betont sie wie selbstverständlich. Sie habe an der AfD-Demonstration teilgenommen, denn „wenn Frauen nichts zu sagen haben und nicht neben Männern sitzen dürfen, ist mir das nicht recht“. Man könne jeden hier fragen.

„Wir können nicht in die Zimmer unserer Gemeindemitglieder blicken“

Eine junge Philippinin pflichtet der Rentnerin bei. Die Studentin kommt gerade aus einer Vorlesung. Einen Hefter an die Brust gedrückt, blickt sie über beide Schultern. „Bei mir zu Hause ist es schon sehr laut“, nuschelt die Katholikin. Damit meint sie den Muezzinruf. Daß bei der Erfurter Moschee kein Muezzin nach außen zu hören sein soll, weiß sie nicht. Ihre Eltern seien strikt gegen den Bau von Moscheen in christlichen Ländern, erzählt sie. „Warum dürfen in moslemischen Ländern keine Kirchen gebaut werden? Das frage ich mich? Das ist die eigentliche Frage.“ Eine Antwort darauf hat Malik. Es sei das erste Mal, daß er so etwas den Medien sage, aber es sei „natürlich falsch, daß in Saudi-Arabien keine Kirchen gebaut werden dürfen“.

Auch für die Rolle der Frau im Islam hat der Sprecher eine Broschüre parat. Unter dem Titel „Die Rechte und Pflichten einer Frau im Islam“ ist zu lesen, auch Frauen könnten „die höchsten Stufen der menschlichen Evolution erreichen“. Die Frau sei keine Dienerin ihres Mannes, sollte aber bemüht sein, islamische Tugenden wie Frieden und Barmherzigkeit in sich zu etablieren. „Wir können nicht in die Zimmer unserer Gemeindemitglieder blicken“, antwortet Malik auf die Frage, wie das mit dem „Ehrenmord“ von Darmstadt zusammenpasse, bei dem ein Ehepaar der Ahmadiyya-Gemeinde seine Tochter zu Tode gewürgt hatte, weil sie außerehelichen Sex gehabt hatte. Seine Gemeinde hätte im Vorfeld versucht auf die Eltern einzuwirken.

Kaum Frauen mit Kopftüchern in der Stadt

Auf dem Weg von der Universität Richtung Altstadt ist es schwer, jemanden zu finden, der für den Moscheebau in Marbach ist. Auch Menschen mit dunkler Hautfarbe sind kaum zu sehen, Frauen mit Kopftuch noch weniger. Dafür mehrere, auf die die Bezeichnung „Wutbürger“ zu passen scheint. Die Erfurter seien alle dagegen, die Moslems dafür, schnaubt ein braungebrannter Erfurter mit graumelierten Haaren. „Das paßt hier nicht zusammen! Da können Sie alle fragen, das können Sie fettgedruckt in die Zeitung schreiben!“

Weniger interessiert an dem Vorhaben gibt sich ein Moslem, Anfang 30, vor dem Bahnhof: „Wenn sie die Moschee bauen, ist das gut für uns, und wenn nicht, können wir auch nichts tun.“ Werden in Zukunft, auch angesichts der Asylkrise mehr Moslems an der Haltestelle Universität aussteigen? Malik: „Vorerst sind wir mit dem Platz für 70 Menschen zufrieden.“


JF 21/16

Suleman Malik auf dem Baugrundstück in Erfurt: Minarett so hoch wie eine Straßenlaterne Foto: JF / Ahmadiyya Muslim Jamaat
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