BERLIN. Der Verfassungsschutz in Thüringen hat offenbar noch kurz vor dem Untertauchen der mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle Anfang 1998 eine Anwerbung Beate Zschäpes geprüft. Das geht nach Angaben des Unionsobmann Bundestagsuntersuchungsausschuß zum NSU, Clemens Binninger (CDU), aus der Befragung eines ehemaligen Mitarbeiters des Verfassungsschutzes durch die von Thüringen eingesetzte Schäfer-Kommission hervor.
Da dem Verfassungsschutz jedoch bekannt gewesen sei, daß Zschäpe damals Drogen konsumiert habe, sei von einer Verpflichtung als Informantin abgesehen worden. „Das war uns zu wackelig“, gab der Verfassungsschützer laut Binninger bereits im vergangenen Jahr zu Protokoll.
Zuvor hatte am Donnerstag ein ehemaliger Angehöriger der Soko „Rechtsextremismus“ des Thüringer Landeskriminalamtes, Mario Melzer, dem Ausschuß berichtet, daß in der Polizei des Freistaates bis heute das Gerücht verbreitet sei, Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten nach dem Untertauchen nicht gefaßt werden können, weil sie vom Verfassungsschutz gedeckt worden seien.
Ex-Verfassungsschützer sorgt für Eklat
Auch Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz aus Gera, der mehrfach gegen die mutmaßlichen Mitglieder des späteren NSU ermittelt hatte, berichtete, ihm sei es merkwürdig vorgekommen, daß die drei blitzartig verschwanden und alle Spuren ins nichts führten.
Schultz berichtete zudem, daß der Verfassungsschutz in den neunziger Jahren regelmäßig Einsicht in Akten der Staatsanwaltschaft zum Rechtsextremismus genommen habe. Seine Behörde sei regelrecht „abgeschöpft“ worden. Auch habe es Versuche des Nachrichtendienstes gegeben, Einfluß auf die Arbeit seiner Behörde zu nehmen.
Für einen Eklat im Ausschuß sorgte der ehemalige Vize-Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Peter Jörg Nocken. Nachdem er den Abschlußbericht der Schäfer-Kommission, die mögliche Verfehlungen der Thüringer Behörden im Zusammenhang mit dem NSU aufklären sollte, scharf kritisiert und die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz als vorbildlich dargestellt hatte, wurde die Zeugenbefragung vom Ausschußvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) abgebrochen. (ms)