BERLIN Der Chef des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat davor gewarnt, die Maßnahmen zur Euro-Rettung gefährdeten das friedliche Zusammenleben der europäischen Völker. „Die Zukunft Europas wird auf der Straße entschieden“, sagte Sinn bei einem Vortrag in Berlin, wo ihm am Donnerstag der Ludwig-Ehrhard Preis für Wirtschaftspublizistik verliehen wurde. „Die jetzigen Entscheidungsträger“, ergänzte er, „werden dann nicht mehr an der Macht sein“.
Bis zu den Wahlen werde Ruhe sein, bestätigte Sinn ähnlich lautende Äußerungen von Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Danach werde alles wieder aufbrechen. Auch Länder wie Portugal oder Slowenien würden dann in die Krise rutschen. Schockiert zeigte sich Sinn über die gesellschaftlichen Verwerfungen des vom früheren Bundeskanzler Helmut Kohl als „Friedensprojekt“ bezeichneten Euros. „Ich habe in meinem Leben noch nie so viel Haß gegenüber Deutschland gesehen wie das jetzt der Fall ist.“
„Verwette mein letztes Hemd“
Eine Prognose äußerte Sinn zum derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht laufenden Verfahren bezüglich der Ankündigung der EZB, unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen zu wollen. „Ich wette mein letztes Hemd, daß das Verfassunsgericht die OMT-Politik der EZB für unrechtmäßig erklärt“, sagte er.
Kritik übte Sinn auch an der angeblichen Alternativlosigkeit der Euro-Rettung. Ökonomen und Politiker, die die derzeitige Rettungspolitik kritisierten als Anti-Europäer hinzustellen, sei „zu primitiv, als daß sich ein denkender Mensch damit zufrieden geben darf“. (tb)