MÜNCHEN. Der frühere Bundesbankvorstand und Bestsellerautor Thilo Sarrazin hat scharfe Kritik an Bundespräsident Christan Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geübt. Deren Reaktion auf sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ im Spätsommer 2010 könne er weder „verstehen noch respektieren“, schreibt Sarrazin im Vorwort zur Taschenbuchausgabe seines Bestsellers.
In dem vom Focus auszugsweise vorabveröffentlichten Text nimmt Sarrazin auch Stellung zu seinem Rückzug aus dem Vorstand der Bundesbank. Wulff hatte der Bundesbank im September 2010 nahegelegt, Sarrazins Entlassung zu beantragen. Damit habe er sich jedoch in eine Falle locken lassen, schreibt Sarrazin. Für eine Entlassung habe jede Rechtsgrundlage gefehlt.
„Dafür war ich zu lange Staatsdiener“
Gegen einen rechtswidrigen Entlassungsakt hätte Sarrazin geklagt: „Ein Rücktritt entweder des Bundespräsidenten oder des Bundesbankpräsidenten wäre unvermeidlich gewesen.“ Als das Bundespräsidialamt dann angefragt habe, unter welchen Bedingungen er sich vorstellen könne, selbst seine Entlassung zu beantragen, habe er darauf bestanden, daß die Bundesbank alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurücknimmt und er die Pension erhalte, die ihm bei Erfüllung des vollen Vertrags zugestanden hätte. „Ich hatte mir ja nichts zuschulden kommen lassen und trat nur zurück, um die Ämter des Bundespräsidenten und des Bundesbankpräsidenten vor Schaden zu bewahren“, betont Sarrazin.
Viele seiner Befürworter hätten gehofft, daß er in diesem Punkt hart bleiben würde, aber dafür sei er zu lange Staatsdiener gewesen, begründet der frühere Berliner Finanzsenator sein Verhalten. „Ich wollte nicht hohe öffentliche Ämter beschädigen, mochte ich auch deren aktuelle Inhaber nicht schätzen.“
Deutliche Kritik äußerte Sarrazin auch an Bundeskanzlerin Merkel. Deren Verhalten zeige, wie verbreitet die Einstellung sei, die politische Korrektheit über die Wahrheit zu stellen. Merkel habe nach ihrer ersten Kritik an seinem Buch gespürt, daß sich der Wind zugunsten Sarrazins drehe.
Sarrazin arbeitet an neuem Buch
Sie habe sich daher kurzfristig entschieden, einer Preisverleihung an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard beizuwohnen und sogar die Laudatio auf ihn zu halten. „Feinsinnig erklärte sie dort, Sarrazin habe von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Es sei aber keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn er wegen dieser Meinungsäußerung sein Amt verliere.“
Laut Focus arbeitet Sarrazin derzeit an einem neuen Buch, mit dessen Erscheinen für Mai oder Juni zu rechnen sei. Über den Inhalt schweige die Deutsche Verlags-Anstalt allerdings. Eine Fortführung von „Deutschland schafft sich ab“ sei aber nicht geplant. (krk)
Fernsehen: Der WDR zeigt am Montagabend um 22.00 Uhr die 45minütige Dokumentation „Sarrazins Deutschland – Wie eine Debatte das Land spaltet“