Adolfs Machtergreifung steht offenbar mal wieder vor der Tür. „Neonazi“-Zentralregister, Untersuchungsausschüsse, interministerielle „Kompetenzzentren“ – im Wochentakt werden neue Instrumente aus der Taufe gehoben, um der allenthalben vermuteten „braunen Gefahr“ entgegenzutreten. Beim Einstreichen der Dividende aus dem Auffliegen der Zwickauer Neonazi-Zelle verliert die Gesinnungsindustrie keine Zeit: Der „Kampf gegen Rechts“ geht in die nächste Runde und legt wieder ein paar hysterische Umdrehungen zu.
Fakten spielen dabei wie immer keine Rolle. Daß es im Fall der beiden toten Zwickauer Neonazis noch immer mehr Fragen und Mutmaßungen als Antworten gibt, daß man noch nicht einmal das Geständnis der Dritten im Bunde hat, das aus zwei Serienkillern mit irrer Ideologie erst eine „terroristische Vereinigung“ machen würde – einerlei; auch der Dynamik des Schröderschen „Aufstands der Anständigen“ hat es vor gut einem Jahrzehnt nicht geschadet, daß die antisemitischen Attentäter, die als Anlaß dienten, sich schon nach wenigen Wochen als islamistisch verblendete Einwanderer herausstellten.
Wo sind die keulenschwingenden Klischeenazis?
Ebensowenig zählt die Alltagswahrnehmung der Bevölkerung. Wer nicht gerade in der entlegensten mitteldeutschen Provinz lebt, wird kaum je einen jener Springerstiefel-Nazis zu Gesicht bekommen, die derzeit wieder jeden zweiten Alarm-Artikel in Zeitungen und Netzmedien illustrieren. Für den durchschnittlichen Bewohner einer deutschen Großstadt ist es auch nach „Zwickau“ und „NSU“ noch immer wahrscheinlicher, sein Auto an zündelnde Linksextremisten zu verlieren, von einer deutschenhassenden Jung-Immigranten-Gang auf Beutezug aufgemischt zu werden oder zwischen die Fronten schwarzvermummter linksterroristischer Bürgerkriegsarmeen zu geraten, die der Polizei regelmäßig Straßenschlachten liefern und die Kontrolle über ganze Straßenzüge beanspruchen, als auf einen keulenschwingenden Klischeenazi zu treffen.
Echte „Rechtsextremisten“ sind in einem Land, in dem man als Mitglied einer einschlägig etikettierten Partei nicht einmal Schornsteinfeger, Fußballtrainer oder Reservistenverbandsmitglied bleiben darf und in dem katholische Priester öffentlich darüber lamentieren, Gemeindemitglieder mit falschem Parteibuch nicht einfach aus der Kirche werfen zu können, ohnehin nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich bis zur sozialen Auslöschung marginalisiert. Da muß man schon halluzinieren, um eine allgegenwärtige Nazi-Gefahr wahrzunehmen und eine schläfrige Gesellschaft, die „den Neonazis“ immer noch „viel zu leichtes Spiel“ (Charlotte Knobloch) lasse.
Politisch und finanziell einträgliche Halluzinationen
Die Pflege solcher Halluzinationen ist allerdings politisch und finanziell recht einträglich. Damit der Popanz von der so ungreifbaren wie allgegenwärtigen Neonazi-Bedrohung, der bisweilen fatal an die Haß-Suggestionen der „Five minutes’ hate“-Wochenschauen in George Orwells Dystopie „1984“ erinnert, auch aufrechterhalten werden kann, muß das Feindbild entgrenzt werden: vom Kriminellen, Terroristen und Gewalttäter, zu dessen Bekämpfung ja das für alle geltende Strafrecht ausreichend wäre, weil er mit Aufklärungs- und Umerziehungsprogrammen ohnehin kaum zu erreichen ist, auf den „Rechtsextremen“ als Gesinnungsverbrecher und vom „Rechtsextremen“ auf den „Rechten“ an sich, der den Vorgenannten erst den Boden „in der Mitte der Gesellschaft“ bereite. Und das kann dann im Prinzip jeder sein, der nicht links ist.
Das Ergebnis ist die Verankerung der Gleichung „rechts = böse“ in den Köpfen als Grundlage einer neuen Zivilreligion, deren Glaubenssätze absolut und unhinterfragbar gelten sollen. Daß es beim „Kampf gegen Rechts“ hauptsächlich um Geld und Macht geht, wird auch ganz offen ausgesprochen. „Kompetenzzentren“ seien ja schön und gut, aber vor allem müsse doch mehr Geld und vor allem dauerhaft und ohne Vorbedingungen an all die vielen Initiativen „gegen Rechts“ fließen, heißt es unisono von links; auch die Hohepriester und Laienprediger der neuen Zivilreligion streben nach Versorgungssicherheit.
„Kampf gegen Rechts als Staatsräson“
Derweil sonnen sich die Oberhäupter von Lobbyverbänden und Einwanderer-Organisationen, die wie selbstverständlich an den ministeriellen Presseterminen teilnehmen, im Glanz der ihnen zugefallenen quasi-hoheitlichen Mitspracherechte bei der Gesinnungsbewertung der gewöhnlichen Bürger des Staatsvolkes. „Kampf gegen Rechts als Staatsräson“ war ein Zeitungskommentar zur Bundestagsgedenkstunde am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz überschrieben – eines der alljährlich zelebrierten Hochämter der neuen „antifaschistischen“ Zivilreligion.
Dem Schreiber war vermutlich nicht bewußt, was er da aussprach: Sieht der Staat seinen Daseinszweck nicht mehr in der unparteiischen Gewährleistung von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit nach innen und außen für alle Bürger, sondern im Niederkämpfen bestimmter Gesinnungen, wird er zwangsläufig zur Partei in einem institutionalisierten geistigen Bürgerkrieg und zielt in letzter Konsequenz auf eine totalitäre Gesinnungsdiktatur à la soviétique.
Der Gesinnungsstaat verdrängt den Rechtsstaat
Daß das den in der Wolle gefärbten Kommunisten von der SED-PDS-„Linken“ zusagt und diese sich aggressiv gegen jede Gleichsetzung links- und rechtsextremistischer Gewalttäter wehren, wundert nicht. Eher schon muß besorgt stimmen, daß sie sich damit inzwischen in einer ganz großen Volksfront quer durch alle Bundestagsparteien befinden und die geistige Bürgerkriegsterminologie des „Kampfs gegen Rechts“ auch in der medialen Öffentlichkeit kaum noch hinterfragt wird.
Wo Meinungen von Staats wegen bekämpft werden, wo das staatliche Gewaltmonopol mißbraucht wird, um Delinquenten nach Gesinnungen zu sortieren und unterschiedlich zu behandeln, sind Rechtsstaat und Demokratie in ernster Gefahr.
JF 06/11