PASSAU. Der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière (CDU), hat die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ für den einstigen SED-Staat als unpassend zurückgewiesen. „Ich halte diese Vokabel für unglücklich. Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat. Aber sie war auch kein Unrechtsstaat. Der Begriff unterstellt, daß alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, Unrecht war“, sagte de Maizière der Passauer Neuen Presse.
Wenn dies so gewesen wäre, hätte man in Artikel 18 des Einigungsvertrags nicht vereinbart, daß Urteile aus DDR-Zeiten weiter vollstreckt werden können, begründete der CDU-Politiker seine Haltung. Auch in der DDR sei Mord Mord gewesen und Diebstahl Diebstahl. „Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit“, kritisierte der frühere Ministerpräsident der DDR.
De Maizière war im Dezember 1990 aus dem Kabinett Helmut Kohls (CDU) ausgeschieden, nachdem Stasi-Vorwürfe gegen ihn aufgekommen waren. Dennoch bestritt er stets, für die Stasi gearbeitet zu haben. Lediglich in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt habe er mit der Staatssicherheit zu tun gehabt.
Kritik von Opfern des Stalinismus
Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus bezeichnete de Maizières Äußerungen unterdessen als „verbale Entgleisung“ und forderte den CDU-Politiker auf, sich bei den Opfern des SED-Regimes zu entschuldigen. „Herr de Maizière verharmlost die SED-Diktatur und versündigt sich damit an deren Opfern. Die DDR hat bekanntlich ihre Bevölkerung systematisch eingesperrt und bevormundet“, kritisierte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Vereinigung, Ronald Lässig.
Wer die Flucht gewagt habe, sei an Mauer und Stacheldraht erschossen oder eingesperrt worden. „Wer das nicht als Unrechtsstaat deutlich benennt, leistet einen unrühmlichen Beitrag zur Ostalgie“, sagte Lässig. (krk)