KARLSRUHE. Der Paragraph 130 des Strafgesetzbuchs (Volksverhetzung) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht wies in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluß eine entsprechende Verfassungsbeschwerde des Ende Oktober verstorbenen stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Jürgen Rieger zurück. Dieser hatte sich durch den Volksverhetzungsparagraphen in seinen Grundrechten der Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt gesehen.
Zu Unrecht, wie die Richter entschieden. Zwar sei ein meinungsbeschränkendes Gesetz ein unzulässiges Sonderrecht, wenn es nicht „hinreichend offen gefaßt“ sei und sich von „vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien“ richte; allerdings sei der Volksverhetzungsparagraph auch als nichtallgemeines Gesetz „ausnahmsweise“ mit der in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Meinungsfreiheit vereinbar.
Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts gerechtfertigt
Auch wenn der Paragraph 130 nicht allgemein „dem Schutz von Gewalt- und Willküropfern“ diene, sondern sich allein auf positive Äußerungen „in bezug auf den Nationalsozialismus begrenze“, sei die „Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts“ gerechtfertigt. Die Karlsruher Richter begründeten ihren Beschluß mit den „Schrecken, die die nationalsozialistische Herrschaft verursacht“ habe und der Tatsache, daß das Grundgesetz geradezu als „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“ gedeutet werden könne.
Hintergrund des Beschlusses ist eine Verfassungsbeschwerde Riegers gegen das Verbot des sogenannten „Rudolf-Heß-Marsches“. Rieger hatte im voraus bis 2010 die jährliche Gedenkveranstaltung für den Hitler-Stellvertreter Heß in Wunsiedel angemeldet. 2005 war die für den 20. August geplante Versammlung unter anderem mit dem Hinweis auf den Volksverhetzungsparagraphen verboten worden. Hier gegen hatte Rieger Rechtsmittel eingelegt, da er sich in seinen Grundrechten der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit verletzt sah. (krk)