BERLIN. Eine Woche vor den Danziger Feierlichkeiten zum Kriegsausbruch vor 70 Jahren, an denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnimmt, haben polnische Organisationen in Deutschland die Anerkennung als polnische Minderheit gefordert. Sie erwarten, daß eine Verordnung von1940 außer Kraft gesetzt wird, durch die Vereinigungen der seinerzeitigen polnischen Minderheit verboten, aufgelöst und ihr Besitz entschädigungslos konfisziert worden waren.
Die wichtigsten polnischen Verbände wie der Bund der Polen in Deutschland, der Bund der Polen Zgoda, der Polnische Kongreß in Deutschland, der Bundesverband Polnischer Rat in Deutschland, das Christliche Zentrum zur Förderung der polnischen Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland und viele weitere haben durch den Berliner Anwalt Stefan Hambura ein Schreiben an die Bundeskanzlerin gerichtet, indem die Aufhebung der „Verordnung über die Organisationen der polnischen Volksgruppe im Deutschen Reich vom 27. Februar 1940“ des Ministerrats für die Reichsverteidigung gefordert wird.
„Bis heute hat es keine klare Aufhebung der Verordnung und Feststellung ihrer Ungültigkeit gegeben“, erklärt Hambura in dem Brief. Im Rechtssinne würde die Verordnung daher weiterhin bestehen.
„Eine sehr gute Gelegenheit“
Die Unterzeichneten bekräftigen die positive Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen, darunter die gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der Nato. Die Beziehungen entwickelten sich gegenwärtig „so gut wie nie zuvor“.
„Der von Polen und Deutschen gemeinsam begangene 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ist eine sehr gute Gelegenheit, Fragen zu regeln, die eine fundamentale Bedeutung für die Zukunft haben“, begründete der Anwalt gegenüber der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita das koordinierte Vorgehen der gewöhnlich zerstrittenen Polen-Verbände in der Bundesrepublik. Die offizielle Aufhebung jener Verordnung aus der NS-Zeit sollte die Grundlage für ein neues Kapitel in den Nachbarschaftsbeziehungen bilden.
Es gehe auch um „moralische Wiedergutmachung“, schließlich seien die Amtsträger der polnischen Vorkriegsminderheit im Deutschen Reich in Konzentrationslagern „hingerichtet“ worden, so Hambura.
Festlegung vermieden
Seit Jahren fordern polnische Vereinigungen in Deutschland von der Bundesregierung die Wiederherstellung des Minderheitenstatus, der ihnen in der Weimarer Republik zuerkannt worden war. Bis 1939 existierte im Deutschen Reich der Bund der Polen in Deutschland. Im seinerzeitigen Verband der nationalen Minderheiten in Deutschland waren neben der dänischen, sorbischen und friesischen Minderheit auch die Polen als Minderheit organisiert. Mit Ausbruch des Krieges wurde der Verband aufgelöst.
Heute leben nach Schätzungen zwischen Rhein und Oder eineinhalb bis zwei Millionen deutsche Staatsbürger mit polnischen ethnischen Wurzeln.
Der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991“ vermeidet eine Festlegung in Fragen der Minderheit und spricht in Artikel 20 lediglich von „Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind oder die sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen“. (ru)